Melville
Umstand dämpft meine innere
Furcht nicht gerade.
Wir
gehen einige hundert Meter um den Zaun herum, doch nirgends ist eine
offene Stelle oder ein Schlupfloch zu finden.
„Was
nun?“, frage ich flüsternd.
„Soll
ich den Zaun aufbiegen?”, fragt Vanessa. Ich überlege, ob so ein
auffälliges Zeichen für einen Einbruch gut ist, nicke dann aber
stumm.
Sie
wirft erst einen kleinen Ast an den Zaun, sicher um zu testen, ob er
unter Strom steht, doch es scheint nicht so zu sein. Dann greift sie
mit den Händen zwischen das Stahlgeflecht und geräuschvoll verbiegt
sie die Streben. Etwas panisch sehen wir uns alle um, ob es auch
niemanden auffällt. Doch das Gelände wirkt dunkel und unbewacht.
Keine Kameras sind zu erkennen oder nächtliches Wachpersonal.
Einzeln
treten wir hindurch und schleichen über das freie Bauland. Alles
wirkt so verdächtig ruhig. Als wir einige Meter dichter an dem
Gebäude sind, deutet Daniel auf mehrere parkende Autos, die sich in
der Nähe des Eingangs des Rohbaus befinden. Ich zeige an, dass wir
näher herangehen sollten, um uns die Kennzeichen notieren zu können
und wir setzen uns in Bewegung.
Leise
schleichen wir näher, als sich Vanessa plötzlich ruckartig
herumdreht.
„Was?“,
frage ich panisch.
„Ich
glaube, ich habe etwas gehört.”. Wir drehen unsere Köpfe, doch
niemand erkennt etwas Auffälliges. Wolken haben sich vor den Mond
geschoben und tauchen das Gelände in Dunkelheit. Alles ist so in
Finsternis gehüllt, dass sogar unserer Art es schwerfällt, genaue
Details zu erkennen.
„Schon
gut, lasst uns weiter gehen.”, sagt sie. Ich versuche Andrew nicht
von der Seite zu weichen. Wir gehen nur einige Meter weiter, da hält
Daniel plötzlich inne und legt eine Hand auf den Boden.
„Spürt
ihr das auch?“, fragt er und da werden mir die kleinen Vibrationen
bewusst. Gleichmäßig und wahrscheinlich mechanischen Ursprungs,
fahren die Stoßwellen durch die Erde.
„Was
hat das zu bedeuten?”, frage ich, doch niemand weiß darauf eine
Antwort.
Vanessa
hebt plötzlich den Kopf und ihr Gesichtsausdruck verändert sich
panisch.
„Scheiße!“,
ruft sie nur laut aus und erhebt sich. Wir blicken in die Richtung in
die gesehen hat und ich sehe zwei leuchtend rote Augen und wie sie
langsam aus der Entfernung näher kommen. Und nur wenige Momente
später, kann ich das schwere Stampfen des Wesens hören, während es
sich mit seiner erheblichen Körpermasse zielstrebig auf uns zu
bewegt.
„Lauft!”,
schreit uns Vanessa an, doch ich bin wie gefesselt. Daniel und Andrew
laufen los, ich bleibe wie festgewurzelt und starr vor Ungläubigkeit
und fasziniertem Schrecken hocken. Ich erkenne deutlicher die Umrisse
dieses Monsters. Das schwarze Fell, die kräftigen Läufe. Ein Wesen,
das ich noch nie gesehen habe. Über zwei Meter groß und wütend.
Ja, sehr wütend.
Andrew
macht nach einigen Schritten halt und blickt sich zu mir um. Ich
bekomme aber nur mit, wie Vanessa mich anschreit und schließlich mit
sich reißt.
Ich
kann meinen Blick einfach nicht lösen, erkenne immer deutlicher die
Gesichtszüge, wenn man so was denn Gesicht nennen kann. Die Lefzen,
wie sie im Schwung des Anrennens um die weißen scharfen Zähne
schlagen, die schnaubenden Laute und diese erschreckend roten Augen.
„Melville!”,
schreit Andrew mich an. Vanessa hat mich zu ihm gebracht und mich in
seine Arme verfrachtet. Sie stellt sich auf, um uns wohl den Rückzug
zu ermöglichen. Da fühle ich, wie Andrew mich anhebt und über
seine Schulter wirft. Und mit einer Geschwindigkeit, die ich nicht
mal ohne Last schaffen würde, rennt er Richtung Bauzaun.
Doch
auch Vanessa scheint wohl ihre Schwäche gegenüber diesem Riesenvieh
einzusehen und beginnt schließlich zu rennen. Nur noch zweihundert
Meter trennen uns von dem zornerfüllten Wesen und es wird beim
Anblick seiner Beute nicht gerade langsamer.
Ich
höre nur, wie das hohe Gras um Andrews Beine schlägt und bemerke,
dass Vanessa sogar aufholt. Ich kann einfach nicht begreifen, was
genau passiert. Wie in einem Film rauscht alles an mir vorbei.
Da
wird Andrew langsamer, hebt mich von der Schulter und drückt mich
Richtung Bauzaun. Da prischt auch schon Vanessa an mir vorbei und
schlüpft hindurch.
„Jetzt
macht schon!”, schreit sie. Ich kann das Beben auf dem Boden fühlen
und rieche schon das zottelige Fell, da greift endlich mein
Überlebenstrieb und ich klettere durch die Öffnung. Ich drehe mich
um, um nach Andrew zu sehen und erschrecke
Weitere Kostenlose Bücher