Melville
Freund!”.
„Ist
das so?” und er blickt mich traurig an. Und ich weiß nicht, was
ich sagen könnte, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er hat alles
gehört und ich versuche mich zu erinnern, was ich alles gesagt habe.
Da dreht er sich zu seinem Schlafzimmer und sagt
„Du
kannst hier übertagen, aber ich ertrage es nicht, neben dir zu
liegen.“ und geht in das Zimmer hinein. Ich höre wie er die Tür
von innen verschließt, dann ist es unerträglich still in seiner
Wohnung. Ich kann nur hoffen, dass er morgen bereit ist darüber zu
reden und mir zu verzeihen. Nach einer Weile, in der ich nur stumm
die Tür betrachte, hinter der er sich vor mir versteckt hat, gehe
ich schließlich in das Wohnzimmer und setze mich auf die Couch. Ich
werde darauf warten müssen, bis er bereit ist.
Ein kleiner Tod
Ich
erwache auf Andrews Couch und erkenne sofort den zusammengefalteten
Zettel und ein verpacktes Geschenk auf dem Couchtisch vor mir.
„Andrew?“,
rufe ich laut und stehe auf. Ich gehe in den Flur und erkenne seine
offene Schlafzimmertür. Ich sehe hinein, doch er ist nicht da. Ich
begehe den Rest seiner Wohnung, doch er ist nirgendwo zu sehen. Ein
Krampf umklammert mein Herz und die mögliche Erkenntnis hagelt in
meinen Verstand.
„Andrew,
bitte tue mir das nicht an.”, sage ich leise. Mit schweren
Schritten kehre ich in das Wohnzimmer zurück und hebe nur langsam
den Brief vom Tisch an. Ich falte ihn nicht auf, sondern setze mich
wieder auf die Polster und versuche dem anfliehenden Gefühl der
Verzweiflung Herr zu werden.
Ich
öffne schließlich das Blatt und lese, was Andrew mir mitzuteilen
hat.
Wenn
du das hier liest, bin ich bereits fort. Ich werde London verlassen
und ich will, dass du mir nicht folgst. Was ich die letzten Nächte
über dich hören und erkennen musste, hat mich zutiefst erschüttert.
Du bist nicht derjenige, der du zu sein scheinst. Dein Leben hat zwei
Gesichter und nur das eine kann ich lieben. Doch deine andere,
verborgene Seite macht mir Angst. Ich halte das nicht aus, ich
ertrage es nicht mehr dich zu sehen und zu wissen, was du getan hast
und vielleicht auch noch tun wirst. Also gehe ich und werde dir und
der Klüngelarbeit nicht im Weg stehen. Ich lasse dir das Geschenk,
da ich keine weitere Verwendung dafür habe. Ich werde dich liebend
vermissen und dich gleichzeitig für deine Taten hassen. Ich kann
nicht anders. Ich hoffe, dass dein Weg nicht weiter über Leichen
führt und du meine Reaktion auch verstehen kannst.
In
Liebe
Andrew
Ganz
langsam, wie in Trance, falte ich den Brief wieder zusammen und
stecke ihn in meine Hosentasche. Ganz so, als müsste ich es tun,
apathisch akzeptierend, dass Andrew wohl fort ist. Ich blicke auf das
Geschenk und greife danach. Es hat die Größe eines Schuhkartons und
scheint etwas schwerer zu sein. Er wollte es mir vorgestern geben und
ich wiege es erst eine Weile in meinen Händen.
Ich
kann mich schließlich überwinden es zu öffnen. Als ich erkenne,
was es ist, kann ich die Tränen nicht mehr aufhalten. Ein silberner
Bilderrahmen, in dem ein Foto von uns beiden steckt. Das Foto,
welches er im Club geschossen hat, als Erinnerung an unseren ersten
Einsatz. Er noch freudig lächelnd und in meine Richtung gebeugt, ich
leicht ablehnend, wie immer. Ich verschließe es wieder und stelle es
zurück auf den Tisch, damit es nicht zu Boden fällt. Dann sinke ich
langsam von der Couch auf den Boden und vergesse alles um mich herum.
Nur noch der Schmerz, der Verlust. Es ist meine Schuld.
Pflicht nimmt keine Rücksicht
Ich
weiß nicht nach wie viel Stunden, klopft jemand an die Wohnungstür
und ich kann Vanessas Stimme rufen hören.
„Melville?
Komm schon, mach auf.”. Wieso sind sie hier? Und da erinnere ich
mich an unsere Aufgabe und auf die Personen die auf mich warten. Ich
fühle weder Abscheu noch Freude darüber, alles ist egal, ohne ihn.
Ich wische mir mit einer Decke von der Couch die roten Spuren der
Verzweiflung aus dem Gesicht und erhebe mich langsam.
Wieder
klopft sie gegen die Tür, dringlicher.
„Ja.”,
antworte ich laut, damit sie nicht gleich die Tür eintritt. Doch ich
lasse mir noch kurz Zeit und blicke stehend auf das Geschenk hinab.
Ich greife nach der Packung, wie eine tonnenschwere Last spüre ich
die Gefühle der Zuneigung die damit verbunden waren, sich auf mein
Herz legen. Aber ich werde es nicht zurücklassen.
Ich
gehe in den Flur, greife meine Jacke und öffne die Tür. Dort stehen
die beiden, Daniel und
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