Melville
Haupteingangstür. Ich drücke gegen sie
und sie ist tatsächlich geöffnet.
Da
erkenne ich die perfiden Poster an den Wänden, mit Luftballons
umrahmt und mit der bunten Aufschrift ‘Herzlich Willkommen,
Melville’ deuten sie mit Pfeilen in die Richtung, in die ich gehen
soll. Es ist nicht nur grotesk, sondern schon pervers abstoßend, wie
diese, an Kindergeburtstage erinnernden Markierungen in mein
Verderben führen sollen.
Aufmerksam
lauschend gehe ich durch die Gänge, meine Schritte hallen laut und
bei jedem kleinsten Geräusch drehe ich mich erschrocken herum. Die
Schilder führen mich durch das Hauptgebäude zu einem Hinterausgang,
über einen freien Hof, auf dem noch die Markierungen zum
Fußballspielen aufgemalt sind, hin zu der kleinen angrenzenden
Sporthalle. Sie ist hell erleuchtet und die Eingangstüren stehen
weit offen. Das wird sie wohl sein, die Arena.
Als
ich hineintrete rieche ich den altbekannten Duft von Schweiß,
Demütigung und alten Sportgeräten. Fast schon habe ich die Stimmen
meiner Sportlehrer im Ohr, wie sie mich anschreien und mich
auffordern, nicht so tölpelhaft zu sein. Nichts im Vergleich zu der
Aufgabe, die jetzt wohl folgt.
Ich
gehe langsam durch die letzte Zwischentür und sehe dann die
erleuchtete Halle. Dort sitzt er, mitten im Raum und ich bin im
ersten Moment dermaßen erleichtert, dass er noch lebt, dass ich die
anderen Personen am Rand nicht gleich wahrnehme. Er sitzt auf einem
Stuhl, Hände und Füße fest mit dem Möbelstück fixiert und sein
Mund geknebelt, sieht er mich an. Er wirkt... müde. Andrew, was
haben sie nur mit dir getan? Als ich näher zu ihm gehe, erkenne ich
die Bluttropfen auf seinem T-Shirt und panisch suche ich seinen
Körper nach Verletzungen ab, doch sie scheinen verheilt. Ich wage es
nicht, schnell auf ihn zu zu rennen, denn endlich wird mir auch
bewusst, dass wir nicht allein sind. Bis zu zehn Personen mache ich
in der Halle aus. In der Nähe des Geräteraumes, an Baumaterialien
angelehnt oder einfach am Rand Wache haltend, sehen sie mich an. Wo
ist Alfred?
Etwas
entfernt von Andrew stehen ein Schreibtisch mit einem Computer darauf
und zwei Stühle. Es ist klar, dass dieser Aufbau mit zu Alfreds Plan
gehört, nur wie, verstehe ich nicht.
Da
mich niemand aufhält, gehe ich weiter auf meinen Geliebten zu, der
mich zwar auch ansieht, aber sein Blick wandert immer wieder zu
Boden. Er macht keine Anstalten sich aus der Fesselung lösen zu
wollen.
„Andrew?“,
flüstere ich leise, als ich endlich in seiner Reichweite bin. Er
reagiert nicht.
„Andrew?
Geht es dir gut?”. Er sieht mich an, scheint zu überlegen und
nickt dann schließlich matt.
„Schön,
dass du es geschafft hast!“, ruft er plötzlich laut, aus Richtung
der Mädchenumkleidekabine kommend. Mein Blick verfinstert sich
sofort und ich stelle mich aufrecht hin. Alfred hat sich anscheinend
für dieses Treffen elegant gekleidet. Sein maßgeschneiderter
Smoking verhöhnt diese ganze Situation noch mehr. Festen Schrittes
geht er auf uns beide zu. Zu allem Überfluss schwingt er dabei einen
Gehstock freudig mit über das Parkett und klopft mit ihm hin und
wieder laut auf dem Boden auf. Er bleibt seitlich neben uns beiden
stehen und hebt plötzlich seinen Stock an meine Brust und drückt
mich etwas zurück.
„Wenn
du so freundlich wärst, dem Verhandlungsgut nicht zu nahe zu treten.
Danke.”. Als er das tut, sehe ich deutlich die Restspuren Blut am
knaufartigen Griff. Und ich muss meine Hände vor Zorn ballen, um ihm
diesen Stock nicht aus den Händen zu schlagen. Dann stellt er sich
breitbeinig auf, ähnlich wie beim Abschlagen eines Golfballs und
stützt beide Hände auf dem großen Metallgriff auf.
„Hier
wären wir also. Hattest du eine angenehme Fahrt, Melville?” und
blickt mich unschuldig an.
„Bitte,
Alfred, lass es hinter uns bringen.“, antworte ich und blicke
wieder kurz zu Andrew. Ich überlege, wie ich diese Situation mit
Alfred klären kann, ohne dass Andrew allzu viel mitbekommt.
„Du
hast keinen Sinn für Manieren, aber unhöflich warst du ja schon in
den ersten Minuten.“ und lächelt mich mit einem zähnezeigenden
Grinsen an.
„Können
wir... können wir irgendwo ungestört reden?”, frage ich Alfred
eindringlich und sehe zu seinen Wachen, um von meinem eigentlichen
Grund für die Frage, Andrew, abzulenken.
„Oh,
möchtest du mehr Intimität? Ich denke, diese Option hast du
verspielt, als du mich abgewiesen hast, Melville. Aber wir können
uns
Weitere Kostenlose Bücher