Melville
tut alles, was man von ihm
verlangt. Egal, um was es sich handelt.“. Das Wort ‚egal‘ hat
er so betont, dass seine Bedeutung keine Zweifel offen lässt.Ich
gehe langsam zu meinem Schreibtisch zurück. Was ist das nur für ein
Ventrue, dieser Herr Walters? Sein Gebaren erinnert mich mehr an
einen Zuhälter als an einen ehrbaren Clansbruder. Sein Eindruck
verbessert meine Meinung über amerikanische Kainskinder nicht
wirklich und es ist gut, dass er diese Domäne verlassen möchte. Ich
setze mich hin, schlage die Beine übereinander und betrachte die
beiden eingehend. „ Bitte denke Sie nicht, dass ich mit
meinem Küken hausieren gehe, doch ich habe nicht die Möglichkeit
ihn sinnvoll weiter zu unterrichten. Er hat auch verborgene geistige
Fähigkeiten, glauben Sie mir das. Meine Lage ist verzweifelt, Herr
Lancaster. Im Moment kann ich mir nicht einmal das Flugticket in die
Staaten leisten.“. „ Und was lässt sie glauben, dass
ich in diesem Kontext Interesse an einem männlichen Küken
hätte?“. „ Wie gesagt, Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Herr
Lancaster.“. Sein Lächeln wird vieldeutiger und mit schmieriger
Tonlage sagt er weiter
„Und
er ist ja auch so schön und unschuldig.“. Er schiebt sein Küken
vor sich, damit ich ihn besser begutachten kann.Mir tut das
Küken im Grunde ja ein wenig leid. Oder besser gesagt, empfinde ich
es als Schande, ein Ventrue-Blut dermaßen zu persönlichen
Lustzwecken zu verheizen, denn es macht nicht den Eindruck, als ob
Herr Walters sich seinem Küken gegenüber in diesen Dingen
zurückgehalten hätte.Herr Walters würde sicher nach mir
noch andere ‚Sponsoren‘ anfragen und sollte er auf die glorreiche
Idee kommen, außerhalb unseres Clans zu fragen, würde er uns zum
Gespött der Domäne machen. Ich bin zwar noch nicht lange hier, aber
ich kann mir nicht vorstellen, dass das hier gang und gäbe ist. „ Bei
wem haben Sie denn bereits alles angefragt, Herr Walters?“. „ Sie
sind der Erste…und vielleicht auch der Letzte. Ich habe bereits
diverse Kredite bei den anderen Geschäftsleuten laufen, mein
Handlungsspielraum ist sehr eingeschränkt.“.Ich blicke
wieder auf. Herr Walters macht einen leicht gequälten Eindruck,
sicher wollte er nicht ganz so offen über seine Situation sprechen,
wie er es gerade getan hat.Ich fange an sanftmütig zu
lächeln und frage
„Wie
heißt denn Ihr Küken überhaupt?“.Seine Miene erhellt
sich, auch wenn ich nicht direkt vorhatte seine Hoffnungen zu sehr zu
verstärken, bin ich es doch Leid, immer nur über ‚das Küken‘
zu reden. Ein Ventrue ist mehr als sein Status. „ Er heißt
Liam Balthus, er ist seit fünf Monaten mein Kind. Das beste Kind,
das ich je hatte.“. Ich kann mir schon denken, in was genau er der
Beste war. „ Sein Name hätte gereicht, Herr Walters.
Danke.“. Betreten blickt er zu Boden und nach längerem Schweigen
meinerseits, versucht er einen letzten verzweifelten Schritt. „ Ich
habe mich einfach übernommen. Finanziell, als auch in den Pflichten
der Domäne gegenüber. Ich verlasse diese Domäne, weil der Prinz es
mir nahe gelegt hat. Ich bin nicht länger erwünscht…“, er hält
kurz inne und scheint mit seinen Gefühlen zu ringen.
„Liam
kann nichts dafür, aber ich befürchte, dadurch, dass er ‚mein‘Küken ist, hat er Nachteile in der Domäne. Ich bin zutiefst
verschuldet, kann ihm nichts bieten. Ich renne von Bank zu Bank und
Kainskind zu Kainskind. Sicher habe ich die Nerven sämtlicher
Institutionen bereits sehr strapaziert, sollte ich aber nicht in der
Lage sein, in den nächsten achtundvierzig Stunden abzufliegen, wird
der Prinz mich und meine Nachkommenschaft töten lassen.“. Seine
Stimme überschlägt sich zum Ende hin fast. „ Welche
Verbrechen haben Sie denn begangen, dass der Prinz Ihnen und Ihrer
Nachkommenschaft mit dem Tode droht, aber gleichzeitig eine Frist zur
möglichen Flucht setzt?“. Diese Form von Strafe verwundert mich
wirklich.Er schweigt erst, doch etwas anderes fällt mir
ins Auge. Sein Küken hat langsam den Kopf erhoben und sieht mich an.
Er lächelt etwas schelmisch, eine Mimik, die vollkommen fehl zu dem
wirkt, was sein Erzeuger gerade berichtet hat. Er irritiert mich ein
wenig und gleichzeitig reizt er mich mehr als die
Tränendrüsen-Geschichte von Herrn Walters. Sicherlich auch ein
Grund, warum ich beide nicht schon vor fünf Minuten vor die Tür
gesetzt habe. „ Ich hatte… eine Art Schneeballsystem.
Ich habe Menschen, aber auch ehrbare Vampire aus
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