Melville
schüchtern.
„Bevor
wir aber darüber sprechen, ob du mein Küken werden kannst, sollten
wir erst einmal besprechen, ob ich überhaupt ein geeigneter Mentor
für dich sein kann. Ich hege eigentlich keine Bedürfnisse, mich um
jemanden zu kümmern und Verantwortung für ihn zu übernehmen.“.
Er nickt und hört mir weiter aufmerksam zu. Ich deute ihm sich auf
die Couch zu setzen. Ich setze mich ihm gegenüber hin, falte die
Hände und beuge mich leicht in seine Richtung. James betritt den
Raum und stellt mein Glas Blut vor uns auf den Tisch.
„Danke,
James“.
„Sehr
gerne, Sir.“ und dann zieht er sich zurück. Liam betrachtet das
Glas kurz und fixiert dann wieder mich.
„Als
Erstes möchte ich hervorheben, dass es natürlich keinerlei
körperlichen Kontakte zwischen uns beiden geben wird. Auch wenn es
vielleicht nur ein Versuch war mich zu ködern, möchte ich es
hiermit klarstellen!“.
„Natürlich,
Herr Lancaster.“, sagt Liam etwas verschüchtert, vielleicht liegt
es daran, dass wir uns hier in meinem privaten Reich aufhalten oder
weil ihn meine aufflammende Präsenz beeindruckt. Vielleicht spielt
er aber auch nur mit mir. Aber meine geschulte Wahrnehmung und meine
Kainskindkenntnis sagen mir, dass dem nicht so ist.
„Die
beste Basis für eine Beziehung, wie du sie mit mir anstrebst, sollte
Vertrauen sein. Darum bitte ich dich, mir deine Geschichte zu
erzählen. Wie dein Leben als Mensch war, wie du erschaffen wurdest
und was genau deine Aufgaben als Vampir bisher waren.“, sage ich
und nicke ihm dann aufmunternd zu, dass er mit seiner Erzählung
gleich anfangen soll.
Er
räuspert sich kurz, während ich mein Glas erhebe und beginne leicht
daran zu nippen. Das süße Blut beruhigt mein Tier in mir, immer
wieder aufs Neue genieße ich den kleinen Rausch, den der Geschmack
von gutem Blut auf meiner Zunge verursacht.
„Ich
war Mitarbeiter der German Bank Alliance, in der Abteilung 'foreign
affairs', ganz speziell in Verhandlungen mit Groß Britannien. Mein
Ruf war gut, ich hielt unsere englische Kundschaft bei Laune und
sorgte für erfolgreiche Übernahmen. Mein Talent lag auch im
Aufkaufen englischer, vor allem Londoner Grundstücke und Immobilien
im Auftrag unserer Kunden. Meine Mutter war Engländerin und ich
spreche fast genauso gut Englisch wie Deutsch. Ich studierte
‚Internationale Betriebswirtschaftslehre‘ in Wiesbaden und war
immer sehr überzeugt von meiner Karriere. Meine Eltern waren sicher
auch sehr stolz auf mich...“, er macht eine kurze Pause. Ich kann
mir vorstellen, an was er denkt. Er ist erst seit fünf Monaten
Vampir, anscheinend ohne Ghul gewesen zu sein, es fiel ihm gewiss
schwer, sich von seinem menschlichen Umfeld zu trennen.
„Du
hast hoffentlich keinerlei Kontakte mehr zu den Menschen aus deiner
Vergangenheit?“, frage ich ihn ernst.
„Nein...
nein, natürlich nicht.“, er blickt kurz beschämt auf seine Hände
und wirkt traurig über diesen Umstand. Ich koste weiter das
wertvolle Nass und warte seine weiteren Erläuterungen ab.
„Ich
traf Herrn Walters auf der Jahreshauptversammlung der Aktionäre, er
war relativ aufdringlich. Er hatte bemerkt, dass ich Englisch sprach
und war davon ausgegangen, dass ich ein Amerikaner wäre, so wie er.
Seine Art, wie er mich ansah und mit mir sprach, sagte mir überhaupt
nicht zu. Nach zwei, drei Sätzen entschuldigte ich mich und ließ
ihn stehen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr ihn das wohl gekränkt
hat. Am Ende der Veranstaltung, als ich zu meinem Wagen ging und mich
bereits auf einen geplanten Besuch meiner Schwester freute, riss mich
etwas zu Boden. Erst dachte ich an einen Überfall, doch ich erkannte
ihn schnell. Sah seine Fangzähne und sein wütendes Gesicht. Ich
spürte den Schmerz seines Bisses, wie er mir seine Zähne in den
Hals grub, meine Glieder wurden kalt und steif. Es war grauenhaft.“.
Sein Blick wirkt glasig, als ob er diesen Moment ganz vor Augen
hätte.
„Dann
starb ich.“, er schluckt kurz sichtbar einen sprichwörtlichen
Knoten im Hals herunter.
„Mein
Bewusstsein setzte wieder ein, als ich alleine in einem dunklen Raum
wach wurde. Ich war mir sicher, dass ich den Verstand verloren hatte.
Ich fühlte Wut und Zorn und… und Durst. Unsagbaren Durst und mein
Körper war mir fremd. Ich erschrak furchtbar, als ich merkte, dass
ich nicht mehr atme. Er schob mir einen Menschen in den dunklen Raum.
Ich roch sein Blut, hörte seinen Puls und ich zögerte nicht lang.“.
Er senkt seinen Kopf und
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