Melville
könnte. Ich wasche mein Gesicht,
meine Wangen eingefallen, läuft das Wasser anders herunter, als
gestern noch. Meine Hände sind knochiger und fast etwas kälter als
ich es gewohnt bin. Ich ziehe mich an, heute steht wieder ein
anstrengender Abend voller Finanzgeschäfte ins Haus. Doch um meine
Position in dieser Domäne zu verbessern, muss ich hart an meinem
Erfolg arbeiten.
Unten
wartet Liam bereits.
Ja,
ich weiß, ich bin zu spät.
Wir
beide versuchen wieder Normalität und Routine einwirken zu lassen.
Doch als ich ihn anblicke, erkenne ich Besorgnis in seinem Blick.
„Geht
es Ihnen gut?“.
„Es
ist alles in bester Ordnung, Liam, doch von jetzt an muss ich wohl
insgesamt etwa vierzig Minuten mehr Ruhephase einplanen.“.
„Aber
wie,... warum?”. Liam ist noch so unerfahren, dass er viele Details
nicht kennt. Doch die Hintergründe für meinen veränderten
Schlafrhythmus und mein Aussehen möchte ich ihm genau jetzt nicht
erörtern.
„Wir
müssen los, Liam, ich erkläre es dir ein anderes Mal.“.
„Natürlich.”,
er reicht mir meinen Mantel, James hält uns die Haustür auf. So
machen wir uns wieder auf den Weg zu mehr Geld, mehr Macht und mehr
Einfluss.
Beginn
Eines
Abends bittet Liam mich um ein Gespräch, nachdem er sich die Nächte
vorher eher alleine in seinem Zimmer aufhielt. Fünf Nächte
Bedenkzeit hat er benötigt, er hat sich also wirklich Gedanken
gemacht. Er blickt mich sehr ernst an, als er mich anspricht.
„Herr
Lancaster, ich wäre soweit Ihnen meine Entscheidung mitzuteilen.
Haben Sie Zeit für mich?“. Aus seinem Gesichtsausdruck kann ich
nicht lesen, wie er sich wohl entschieden hat.
„Natürlich,
Liam, als dein Mentor habe ich so gut wie immer Zeit für dich. Ist
es dir im Salon recht?“. Ich lächle ihm aufmunternd zu. Auch wenn
mir die Tatsache nicht ganz angenehm ist, so finde ich ihn doch
sympathisch und habe ihn gerne um mich. Seine Fähigkeit argumentativ
scharfsinnig zu diskutieren ist für mich erfrischend belebend. Ich
würde es wirklich schade finden, wenn er sich für eine angepasste
und rückratlose Erziehung entscheiden würde.
Ich
deute auf den Konferenztisch und wir beide setzen uns gegenüber auf
die großen schwarzen Stühle. Er wirkt gefestigt, nicht
eingeschüchtert oder zweifelnd. Er legt seine Arme auf den Tisch und
seine neuen maßgeschneiderten Anzüge unterstützen seine
eindrucksvolle Wirkung noch. Ebenso seine Entscheidung, seine Haare
jetzt nach hinten frisiert zu tragen, sie umrahmen sein blasses
Gesicht und die schwarze Farbe seiner Haare bilden einen scharfen,
abgrenzenden Kontrast.
„Also,
Liam, was möchtest du mir sagen?“.
„Nun,
Herr Lancaster, wie Sie wissen stand ja noch die Klärung einer
wichtigen Frage aus. Ich habe mir in den letzten Nächten viele
Gedanken gemacht, einiges ist passiert, dass mich zum erneuten
Grübeln gebracht hat...”, er räuspert sich kurz, ich sitze
ausdruckslos auf meinem Stuhl, bewege mich nicht und höre ihm
konzentriert zu.
„Jedenfalls
fühle ich, dass Sie mir eine einmalige Gelegenheit bieten und ich
denke, dass ich ihr durchaus gewachsen bin. Doch bevor ich mich
endgültig entscheiden kann, müsste ich Ihnen noch eine Frage
stellen“.
„Ja,
Liam?“.
„Um
diesem Weg zu folgen, dem vielversprechenden ‚Pfad der Macht‘,
muss ich dafür auch über Leichen gehen? Und zwar nicht nur im
metaphorischen Sinne?“, er sieht mich fest an. Ich überlege, ob er
mit dieser Frage nicht auch eine Art Vorwurf gegen mich ausgesprochen
hat, ob er mich damit angreifen möchte. Doch Liam lässt die Frage
im Raum stehen, formuliert sie nicht um. Nach Sekunden lächle ich
plötzlich leicht sarkastisch.
„Wenn
dir jemand im Weg steht, Liam, dann musst du ihn beseitigen, wie du
das tust, ist deine Sache. Aber sei weder zu zögerlich noch zu
nachgiebig zu deinen Feinden, sie werden dich sonst überrennen.
Falls du aber auf meine Taten von vor drei Nächten anspielst, und
das tust du, so kann ich dir sagen, nein, das musst du nicht tun, um
ein treuer Anhänger deiner inneren Stimme zu werden... außer
natürlich, deine Stimme verlangt das von dir. Hast du noch andere
Fragen?”. Er überlegt kurz angespannt, es sind die letzten Fragen,
bevor es endgültig wird. Liam, überlege sie dir gut.
„Ja,
Herr Lancaster, eine hätte ich tatsächlich noch. Dieser Wechsel,
dieses Abstandnehmen von der Menschlichkeit, wie genau geht das
vonstatten? Was muss ich dafür tun oder vielleicht auch nicht tun?“.
Ich greife
Weitere Kostenlose Bücher