Melville
vorher war er
schon mehrere Monate Küken. Ich rechne aufgrund seines tadellosen
Verhaltens und dem Zuspruch einiger Clanskollegen noch innerhalb der
nächsten sechs Monate mit einer Ernennung zum Neugeborenen.
Alexander
Herbolds Informationen sind auch zeitig eingetroffen, leider jedoch
nicht so brisant wie
erwartet. Gezeugt 1986 und Kind vom Kind des Primogen der Brujah in
Berlin. Sein Erzeuger verstorben, war er Mündel des Primogens
Reinhardt Heimser selbst. Politische Umstände ließen Herrn Herbold
Berlin für eine Weile verlassen, man geht allgemein aber davon aus,
dass er zurückkehren wird. Er ist mit Berlin fest verwurzelt.
Erstaunlich auch, dass er bei seinen Vorfahren immer noch
Neugeborener ist, sicher ist das auch nicht ganz ohne Grund so, was
verbirgt er? Welches Geheimnis trägt er bei sich, dass es nicht
einmal die Nosferatu gegen Bezahlung erfahren können, was ihn nach
Frankfurt trieb? Ich bin neugierig. Mein weiteres taktisches Vorgehen
muss gut überlegt sein. Ich darf ihn, besonders am Anfang, auf
keinen Fall misstrauisch machen. Aus Erfahrung weiß ich ja bereits,
dass viele Brujah die Ventrue für schwächlich und berechnend
halten, immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Das mag zwar soweit
auch stimmen, doch sollte ich ihm nicht auch noch diesen Eindruck
vermitteln. Ich werde mir etwas einfallen lassen.
Feind
Nora
bittet Liam in mein Büro, er hat einen offiziellen Termin mit mir
vereinbart und möchte anscheinend über Schwierigkeiten mit einem
Kunden sprechen. Ich erinnere mich noch, wie er als schüchternes,
wenn vielleicht auch nur gespielt devotes, stummes Küken hinter Herr
Walters eintrat. So verändert hat er sich; ansehnlicher,
einprägsamer. Die Veränderung seiner Augen geht sicherlich auch mit
den Übungen von Frau von Harbing einher, doch auch rein äußerlich
ist er anders. Er nimmt sich jeden Abend fast eine Stunde Zeit für
Vorbereitungen. Wählt kritisch aus seinem Kleiderschrank die
Uniformierung für den Tag, frisiert sein Haar und benutzt nur die
besten Parfums. Ich erkenne eine leichte Neigung zum Narzissmus und
zur Selbstdarstellung, desto weiter ich ihn vorantreibe. Solange er
sich aber nicht selbstüberschätzt, soll es mir recht sein.
Sein
Gang ist fest und sein Blick nüchtern und ich freue mich über die
Abwechslung in meinem Nachtablauf. Ich blicke vom Monitor zu ihm,
lächle und erhebe mich. Seit der Anfahrt ins Büro haben wir uns
nicht mehr gesehen, so wie es normal ist. Jeder arbeitet für sich an
seinen Klienten. Doch nun scheint er auf jemand Hartnäckigen
gestoßen zu sein.
„Ich
hoffe Sie haben gerade etwas Zeit, Herr Lancaster?”, fragt er mich.
„Selbstverständlich,
Liam, für dich doch immer. Besonders wenn du deine Anliegen auch
noch terminlich mit meiner Sekretärin abklärst.“ und ich zwinkere
ihm aufmunternd zu. Er nimmt Platz und faltet die Hände im Schoß.
„Ich
will auch gar nicht lange drum herum reden, ich befürchte, jemand
aus unserem Clan macht uns die Kunden abstreitig. Sie diskreditiert
unsere Produkte und wirbt die Kunden ab. Ein Kunde hat gerade unter
meiner Einwirkung von ihr gesprochen, doch wenigstens wird dieser
Kunde uns jetzt auf alle Fälle treu bleiben. Und auch ich selbst
habe in letzter Zeit stärkere Fluktuationen innerhalb unserer
Klienten beobachtet. Was sollen wir oder ich jetzt tun?”. Ich
blicke ihn einfach nur an, er ist anscheinend auf Konkurrenz
gestoßen. Doch mit seiner Erziehung und seinem Wissen müsste er
eigentlich die Antwort auf seine Frage selbst kennen.
„Tja,
Liam, was glaubst du denn, was du da machen kannst?“, frage ich mit
überheblicher Stimme.
„Sie
muss weg! Sie gefährdet Ihr Geschäft. Nur wie?”. Ich lächle
weiter sanft Liam an und frage wieder betont übertrieben.
„Ja...
wie nur?“. Er scheint zu überlegen und schaut mich plötzlich mit
großen Augen an.
„Sie
meinen doch nicht... oder?”.
„Natürlich,
Liam, sie zeigt offen feindliches Verhalten, sie muss vernichtet
werden. Wir haben es nicht soweit kommen lassen, sie ist dafür
selber verantwortlich. Sie kennt die gültigen Regeln zur Werbung um
die Kunden, sie hält sich nicht daran. Sie hat eine schwere Schuld
zu tragen, nehmen wir ihr doch diese Last am besten ab. Wie heißt
die Dame denn, wenn ich fragen darf?”.
„Sei
heißt Marlene Kolbhöfer, sie ist noch Neugeborene und Kind von
Justus Quandt.“.
„Also
niemand von Bedeutung. Denn soweit ich weiß, ist Justus nichts
anderes, als die helfende Hand
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