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Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
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nicht.
    „Liam...”,
flüstere ich leise. Ich muss aufstehen, das Bett wird mir zuwider.
Ich sammle meine vom Tageslicht geschwächten Kräfte und hebe die
Beine über den Bettrand. Mein Körper kribbelt, will mich davon
abhalten, doch ich erhebe mich schwankend. Laufe einen Schritt, muss
mich dann aber abstützen. Ich gehe in das Bad, etwas Wasser wird mir
gut tun. Ich hangele mich zum Waschbecken, blicke in den Spiegel. In
der Finsternis liegt mein schädelartiges Gesicht fast komplett im
Dunkeln. Meine Augen sind nicht zu sehen, ich bin von meinem eigenen
Anblick verstört. Die hohlen Wangen, mein sehniger Hals. Mein
Spiegelbild scheint mich zu verhöhnen, scheint mir zeigen zu wollen,
dass ich es immer noch nicht wirklich geschafft habe.
    „Wem
willst du eigentlich was vormachen, Melville? Du willst ihn den Pfad
lehren und hast den Wechsel selbst noch nicht geschafft? Du bist so
erbärmlich!“ und um meinem monsterhaften Antlitz noch mehr zu
genügen, lasse ich meine Fangzähne hervorbrechen. Spüre wie das
Zahnfleisch nachgibt, die Oberlippe weitet sich. Ich fauche mein
eigenes Spiegelbild an. Wie ein verschrecktes Tier. Ich drehe den
Wasserhahn auf und tauche meine Hände in das kalte Nass. Kippe mir
mehrere Handvoll in mein Gesicht. Und es macht alles nur noch
schlimmer. Die nassen Haare kleben an mir, das Wasser perlt über
meine wächserne Haut. Ich sehe noch schrecklicher aus. Ich stütze
mich am Waschbeckenrand ab.
    „Ich
bin schuld... ich bin schuld...”, dann geben meine Beine nach.
Langsam sinke ich zu Boden, der Tag fordert seinen Tribut. Doch mein
Verstand schläft nicht ein, kommt nicht zur Ruhe. Mit letzter Kraft
zerre ich mich zurück zum Bett, werfe die Lampe ausversehen vom
Tisch und lege mich, nass wie ich bin, hinein. Dann kann ich
plötzlich meinen Körper nicht mehr bewegen, er verweigert sich,
doch meine Augen sind offen. Warum, verdammt noch mal, schlafe ich
nicht ein?
    „Weil
du dir über etwas klar werden musst, Melville. Solange wirst du
nicht mehr ruhen.“,
    antwortet
wieder diese Stimme in meinem Kopf. Am liebsten würde ich schreien,
doch ich kann nicht. Wieviele Stunden noch bis endlich die Sonne
untergeht? Panik macht sich langsam in mir breit.
    „Hör
mir zu, sadistischer Bastard!”.
Was? Wer spricht da?
Spricht in meinem Kopf?
    Bin
ich verrückt?
    „Sowieso
Melville, sind wir das nicht alle?“ und die Stimme lacht
kehlig. Es lässt mich erschauern, spüre förmlich eine nicht
existente Gänsehaut auf mir.
    „Ich
bin nur hier, um dich zu warnen. Wenn du deine Pläne weiter so
vorantreibst, werde ich dich aufhalten, Melville, das garantiere ich
dir. So etwas wie dich, kann ich nicht dulden! Und es wäre doch auch
schade um Liam, nicht wahr?”. Die Stimme lacht leicht
gekünstelt, aber widerhallend in meinen Kopf.
    Wer
sind Sie, verdammt?
    Ich
kenne diese Stimme, diese Betonung, doch die Stimmlage wechselt immer
wieder von hoch zu tief, ich weiß nicht einmal genau, ob es eine
männliche oder weibliche Stimme ist.
    Lass
mich schlafen!
    „Nein,
nein, noch hast du es nicht verdient. Morgen, vielleicht. Viel Erfolg
beim Nachdenken Melville.”
    Nein,
nein, so nicht! Was hast du getan?
    Doch
die Stimme antwortet nicht.
    Nein!
Nein! Komm zurück!
    Weiter
nur Stille... und ich bin wach, gefangen in meinem erschlafften
Körper.
    Das
kann nicht sein, das ist nicht möglich. Das ist ein Trick... oder
ein Traum, ja bestimmt. Ein Alptraum. Ich liege weiter in der
Dunkelheit in meinem Bett, während draußen die Sonne hell scheint.
Ich höre sogar Kinder draußen auf der entfernten Straße rufen,
sanftes Vogelzwitschern... es ist alles so falsch!
    Langsam
fängt mein Körper an zu schmerzen, er wehrt sich gegen das
Wachsein, will mich in den Schlaf zwingen. Doch ich kann nicht, ich
bin wie blockiert. Erst kribbelt es in meinen Fingerspitzen, dann
fährt es meine Muskelstränge hinauf. Der für mich niemals endende
Schmerz der Agonie. Meine Nerven aufgerieben, das Fleisch wie wund.
Ich schreie laut, doch nur in meinem Kopf. Meine Kehle und mein Mund
folgen nicht mehr meinem Verstand. Kein Ton entflieht meinen Lippen.
Ich fange an vor Verzweiflung und Schmerz zu weinen, doch auch die
Bluttränen rollen nicht. Der Schmerz immer intensiver, fühlt es
sich fast an wie verbrennen. Da sehe ich die Erste. Eine riesige
Spinne, schwarz, haarig. Sehe ihre glänzenden Augen, wie sie sich
langsam, Schritt um Schritt, über meinen Brustkorb auf mein Gesicht
zu bewegt. Handtellergroß ist sie

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