Melville
und ich kann sie nicht
verscheuchen. Die Berührung ihrer Beinchen spüre ich deutlich auf
meiner entzündeten Haut, als würde sie mit jedem Schritt einen Dorn
unter meine Haut schieben. Dann spüre ich die Nächsten, wie sie
über meine Beine krabbeln, höre ihr Zischen. Schwer laufen sie über
mich. Die Erste ist fast an meinem Kinn, außer meine Augen ist alles
an mir gelähmt. Ihre haarigen Beinchen berühren meine Lippen, mein
Gewebe scheint bei jeder Berührung zu platzen. Wie Säurespritzer
berühren mich ihre Härchen. Sie öffnet meine Lippen, während eine
Horde weiterer Spinnen über meinen Körper herfällt
Nein,
oh bitte nicht. Nein!
Dann
taucht sie in meinen Mund! Ich vergesse mich, schreie, schreie so
laut ich kann. Habe Angst von innen heraus von ihr gefressen zu
werden. Ich schreie weiter, da spüre ich eine Hand auf meiner Brust.
Eine Stimme dringt näher an mein Bewusstsein. Ich spüre meinen
Körper wieder deutlicher, merke, dass ich wild um mich schlage. Ich
öffne ruckartig die Augen, sehe Liam, wie er sich über mich beugt
und versucht mich festzuhalten. Ich stoße ihn weg und dränge mich
ganz in eine Ecke des Bettes. Fasse mit meiner Hand auf meine
Zunge... keine Spinne, gut.
„Herr
Lancaster, Sie haben geschrien... und auch viel zu lange geruht, es
ist schon nach Mitternacht.“, sagt Liam ganz besorgt. Ich fühle
die Schwere immer noch in meinen Knochen, meine Augen fühlen sich
gereizt an, empfindlich. Aus meiner Ecke heraus betrachte ich Liam
stumm, ich höre zwar, was er sagt, doch ich fühle dieses Bedürfnis,
dieses... ich lecke mir kurz über die Lippen. Ja genau, sein Blut.
Sein Blut riecht so verführerisch.
„Liam...“,
sage ich fast tonlos.
„Ja,
Herr Lancaster?“.
„Liam,
ich muss jetzt jagen gehen. Anscheinend habe ich im Schlaf viel
Energie verloren...”, er riecht so verführerisch. Schnell und
tierhaft springe ich aus dem Bett, schlüpfe in Hosen, die gerade
greifbar sind, werfe ein Hemd über und renne die Treppen hinab. Es
pocht in meinem Schädel und nur der eine besondere Saft kann das
Hämmern wieder besänftigen.
„Herr
Lancaster, soll ich mitkommen?“, höre ich ihn noch rufen, da
stürze ich aus dem Haus. Alles ist egal, nur mein Durst zählt,
blecke meine Lippen kurz wie Lefzen und stürze in die Nacht. Ich
lasse ihn allein zurück. Das erste Mal.
Ich
trinke mich wahllos durch die Gefäße der Nacht, erbreche mich
zweimal und muss dafür noch mehr trinken. Ich bewerte meine Beute
kaum, nehme sie einfach. Ein Tanz des Blutrausches, fast als wäre
ich frei von jeglichen Regeln und Verhaltenskorsetts. Als könnte
ich, als untoter Räuber, ganz ungehemmt durch die Menschen
schlemmen. Fast fühle ich mich wirklich frei. Doch der totale
Verlust der Selbstkontrolle mag im ersten Moment berauschend sein,
doch es macht mir Angst. Das wird Konsequenzen haben und sei es, dass
ich selbst dafür sorgen muss. Wenigstens habe ich niemanden
umgebracht.
Als
ich barfuß und mit einigen Blutspritzern auf dem Hemd wieder nach
Hause kehre, wartet Liam bereits nervös im Erdgeschoss. Ich habe die
Zeit verloren. Mehr als drei Stunden war ich weg. Ich habe es eher
als Minuten empfunden. Ich verzichte darauf mich umzuziehen, heute
Abend ist es wirklich egal, und setze mich zu Liam. Er sieht mich an,
jetzt, nach dem Horror der Nacht, wird mir klar, dass Liams
äußerliche Veränderung sicher nicht nur etwas mit seinem
Selbstbewusstsein und seiner Körperpflege zu tun hat. Auch seine
Augen sind etwas mehr in die Höhlen getreten, seine Wangen
deutlicher. Noch verleiht es ihm einen markanten Zug, doch ich weiß,
warum es passiert.
Es
ist meine Schuld!
Ich
bin stumm, betrachte meine Hände im Schoß.
„Herr
Lancaster?”, ich antworte erst einmal nicht. Ich muss überlegen,
wie ich vorgehe. Ich brauche mehr Zeit. Muss mir darüber klar
werden, ob ich gerade den Verstand verliere.
„Herr
Lancaster?”, fragt er noch einmal nach.
„Ja...
Liam?”, ich sehe ihm nicht in die Augen, ich merke an meiner
ungefilterten Körpersprache, dass ihm vollkommen bewusst sein muss,
dass mit mir etwas nicht stimmt. Doch was genau, dass weiß ich nicht
einmal selbst.
„Was
war vorhin mit Ihnen los? Und warum sind Sie nicht erwacht wie
normal?“. Ich lache leise. „Liam, am besten wir vergessen das
Ganze einfach. Ich muss mir selbst erst über einige Dinge klar
werden. Nimm es mir nicht übel, dass ich wohl die nächsten Nächte
nicht ganz so viel Konzentration für dich haben
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