Melville
der
Domäne. Und erinnere dich, du wirst permanent gefilmt und überwacht.
Auch wenn die Nosferatu für uns das Netzwerk filtern, wollen wir
doch keine böse Überraschung erleben.”.
„Gut,
dann...“, ich greife in meine Manteltasche und rufe mit meinem
Smartphone den Fahrer in meine Nähe. Um die Maskerade zu wahren,
muss ich Winterkleidung tragen, obwohl mir sicher niemals mehr kalt
sein wird. Doch während ich mit ihm rede, bleibt meine Beute
plötzlich stehen und begutachtet die Abfahrtszeiten auf einem
Busfahrplan. Sie stellt sich zu den anderen Wartenden und ich
erkenne, dass ihr Telefonat sie in irgendeiner Weise glücklich
macht. Die kleinen Äderchen, die Rötung in ihrem Gesicht, von der
Kälte und der, ja, vielleicht Liebe für ihren Telefonpartner. Ihr
zarter Atem, der gleichmäßig vor ihrem Mund in einem Nebel zergeht
und ich könnte schwören, dass ich selbst von hier ihren Herzschlag
hören kann. Immer wieder lacht sie verschüchtert, dreht sich von
den anderen Menschen weg, damit sie nicht zuhören. Und gerne stelle
ich mir vor, dass sie kleine sinnliche Liebesbekundungen in das
Telefon säuselt. Auch wenn es vielleicht nicht so ist, aber ich
könnte mir vorstellen, dass ein glücklicher Mensch besser schmeckt
als ein kranker oder von Sorgen geplagter Körper.
„Ich
bin in deiner Nähe, nutze die Chance, bevor sie in den Bus steigt.“,
sagt Benedict zu mir und ich antworte nicht einmal, sondern trete,
nach einem flüchtigen Kontrollblick, über die Straße zu ihr. Ich
gehe auf die Bushaltestelle zu, stelle mich mit geringem
Mindestabstand zu ihr und lausche kurz neugierig ihren Worten.
„...
ich weiß nicht, meine Eltern sind bestimmt sauer, wenn ich dich
heute Nacht einfach ins Haus lasse... Nein... nein...”, sie lacht
kurz verträumt.
„...
du bist ein schlechter Einfluss für mich, ich hätte auf meine
Mutter hören sollen... ja, na gut... bis nachher... ja, meine Eltern
sind noch verreist, aber mein kleiner nerviger Bruder ist da... ich
dich auch.”. Dann legt sie auf und blickt nur kurz zu mir. Ich sehe
ihr direkt in die Augen und sofort erkenne ich diese Irritation,
dieses Fragen in ihrem Blick, ob meine Augen nicht vielleicht
gefährlich sein könnten. Ich trete näher an sie heran.
„Guten
Abend, junge Dame.”, ich achte peinlichst darauf, dass niemand
anderes uns hören kann. Ich kann zwar Benedict nirgendwo erkennen,
aber seine Regeln und Hinweise werden schon ihren Grund haben.
„Ähm...
guten Abend.”, antwortet sie mir. Sie ist jünger als ich im ersten
Moment erkannt habe. Ich hatte sie auf zweiundzwanzig, vielleicht
dreiundzwanzig Jahre geschätzt, doch jetzt wird mir bewusst, dass
sie auch durchaus gerade erst volljährig geworden sein könnte.
„Ich
frage mich, warum eine schöne junge Frau wie du mit dem Bus fahren
muss? Sollte es nicht einen tapferen Begleiter geben, der dich warm
und sicher in seinem Auto nach Hause begleitet?“.
„Er
hat noch keinen Führerschein...“, antwortet sie nur, sicher über
sich selbst verwundert, warum sie mir das verrät.
„Nun,
ich habe einen Wagen und sogar einen Fahrer, der bestens mit dem
Londoner Straßennetz vertraut ist. Ist es mir gestattet, dich nach
Hause zu bringen? Falls so eine schöne und lebenslustige junge Dame
wie du jetzt überhaupt schon nach Hause möchte.”. Ich merke
selbst, dass in meiner Stimme dieser schmelzende, gefährliche
Unterton steckt, den man jedem zuspricht, der nichts Gutes im Schilde
führt. Sie beißt sich auf ihre Unterlippe, ich erkenne, dass sie
leicht friert und auch sicher wirklich kein Interesse am Busfahren
hat. Doch um ihr noch weiter auf die Sprünge zu helfen und weil ich
meinen Willen ihr gegenüber durchdrücken möchte, fühle ich, wie
sich etwas in mir wandelt. Wie ein Teil meiner fremdgeraubten Nahrung
in mir zerfließt, um meinem Ausdruck und meiner Präsenz noch mehr
Dringlichkeit zu geben. Und ich starre sie an, so wie sie es auch
tut, anscheinend hoffnungslos meinem Wesen ergeben. Ich gehe den
letzten kleinen Schritt auf sie zu, lege ihren Arm in den meinen und
beginne sie mitzuziehen. In Richtung der Seitenstraße, in der mein
Fahrer stehen sollte.
Es
ist so einfach!
Wie
abgesprochen, steht mein Wagen bereit und ich beuge mich leicht zu
ihr herunter und frage
„Wo
darf ich dich denn jetzt hinbringen?”.
„Ich
muss nach Hause, mein Bruder wartet mit dem Essen auf mich. Holborn
Drive 24, ich hoffe, dass ist nicht zu weit weg für... Sie.”. Sie
erkennt meine
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