Melville
wirkliche Bedeutung aber nicht.
„Alles
in Ordnung?“ und dann sein Kichern.
„So
wie du aussiehst, muss ich das auch mal probieren...”, sagt er. Und
ich erschrecke ziemlich, als er plötzlich ganz dicht neben mir
ebenso seine Kiefer in die weiche Halsgegend des Menschen treibt.
Sein Kichern wird lauter und er greift unter meine Arme und zerrt
mich raus. Ich bin so perplex von diesen unerwarteten Eindrücken,
dass ich mich treiben lasse. Ich bin nur ein Teil des Ganzen und
Gregori der Antrieb.
Lichter,
Farben, lachende Gesichter... alles rauscht an mir vorbei. Ich weiß,
dass meine Beine sich bewegen, aber wohin sie mich führen ist eine
fortwährende Überraschung.
Risse
in der Erinnerung.
Warum
bin ich hier, ganz allein, irgendwo am Rand des Waldes? Ich blicke an
mir herunter, das heiße Blut an meinem Körper dampft noch. Die
Hülle des Zerrissenen unter mir merke ich, dass ich nackt bin. Ich
habe Kratzspuren an mir. Doch das Blut des Menschen ist so extrem am
Boden verteilt, ich habe nicht getrunken, nein, er entspricht auch
gar nicht meinem Schema. Ich lache laut manisch auf, ich habe mich in
ihm gesuhlt!
Wieder
ein Riss.
Lücken
des Verstandes, doch ich erinnere die warmen Gefühle, das Treiben
der Musik. Und ich tanze, tanze ungehemmt um das Feuer. Doch wage
mich nicht zu nah. Doch seit Jahren spüre ich wieder die Wärme, wie
sie mich umzüngelt und mich verwöhnt. Das Feuer, mein Sklave. Das
Blut an meiner Haut verkrustet, eine grausige Bemalung, meine
Trophäe.
Die
Minuten vergehen in Stunden, ein Universum voller Liebe, voller
Gefühl, voller Freude. Und ich möchte diesen Liebesrausch mit
jemandem teilen. Sophia!
Doch
Gregori hält mich, scheint mehr bei Verstand zu sein als ich, obwohl
ich das so jetzt natürlich nicht erkenne. Fauche ihn an, beleidige
ihn. Er lacht nur, lacht und lacht.
Doch
ich bin nicht der Einzige, der sich nach Zuneigung sehnt. Merke, wie
meine vertrauten Zuwendungen, die ich jetzt eben an Fremde richte,
auch erwidert werden. Fühle plötzlich die Lippen an mir, die Hände.
Wollte ich nicht eben noch zu Sophia? Umgarnt von Blut gewärmten
Körpern, treibe ich auf einer Welle der Lust dahin, nicht wissend,
wer meine Rauschbegleiter sind. Küsse Männer, küsse Frauen. Das
immer wieder ansteigende Bedürfnis mich mit ihnen zu vereinen, spüre
ich die Erfüllung, die ich empfinden kann, wenn ich vollkommen
entspannt und im Liebestaumel der Gefühle auch Männer mich erobern
lasse. Eine Orgie, ja, es ist ein sexuelles Gerangel und alle können
es sehen. Doch es ist mir egal, ich fühle keine Scham, die nur in
eine Welt gehört, in der man von Regeln unterworfen ist. Ich bin
ganz meinen Trieben Untertan und ich bin nicht allein. Das Unleben
ist eine phantastische Reise. Und ich rase auf dieser Reise in einem
Schnellboot dahin.
Und
mit einem Mal ist es vorbei, der Tag verlangt nach mir. Wie ein
Hammer trifft mich die ewige Schwärze, ungnädig aber bereits immer
mehr Zeit für mich gewährend. Ich liebe mein Leben.
Die dritte Nacht
„Das
ist etwas Bleibendes, Melville. Kein Heilungsprozess, den du in Gang
setzen kannst, kann diese Narben wieder entfernen.“, mahnt Gregori
an.
„Ich
will mich nie wieder umentscheiden. Eine Schande, dass ich überhaupt
für immer als Wechsler gebrandmarkt sein werde. Es soll auch mir
beweisen, dass es endgültig ist. Ich will es.”. Wir stehen vor
einem mit Teppichen und hängenden Tüchern ausgekleideten Areal.
Elina hat mir dieses Angebot am frühen Abend erklärt und ich habe
nicht lange überlegt. Eine Ritualnarbe, ewig bleiben und zeichnend,
geformt durch die Hände meiner Priesterin. Ich bin bereit.
Ich
stehe, mit freiem Oberkörper und barfuß auf einem der Teppiche,
andere neben mir lassen sich bereits bleibende Erinnerungen an dieses
denkwürdige Festival zeichnen. Ich sehe, wie ihr rohes Fleisch offen
gelegt und mit speziellen Werkzeugen und Wässern bearbeitet wird.
Priester um mich herum, die verschiedene Gebete sprechen. In
Sprachen, die ich nicht kenne und sicher auch nie kennen werde.
Elina
tritt hinter mich, sagt kein Wort. Ich richte meinen Kopf Richtung
Firmament und betrachte die Sterne, die unser Fest begleiten. Dann
fühle ich die Verdunstungskälte und rieche den nach ätherischen
Ölen riechenden Alkohol, den sie auf meinen Rücken tupft. Ich lasse
die Arme gerade herabhängen, um das Ergebnis nicht zu verfälschen.
Dann spüre ich den ersten heißen Schnitt zwischen meinen
Schulterblättern, höre ihre
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