Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melville

Melville

Titel: Melville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Elter
Vom Netzwerk:
nicht.
    „Morgen
Abend, gegen zweiundzwanzig Uhr, wird dir eine Person angeliefert
werden.”, er reicht mir eine dünne Akte und ich klappe sie auf.
    „Dann
wirst du dich dieser Kreatur annehmen und alles über ein mögliches
Attentat in der Nähe des Hauses eines unserer geschätzten
Mitglieder herausfinden. Wir wollen wissen, ob es unsere Gesellschaft
oder die der Menschen zum Ziel hatte. Wir konnten Gespräche im
Internet dieser Kreatur mitverfolgen und es gibt berechtigte Sorge,
dass einer von uns ihr Ziel sein sollte.”.
    „Werde
ich nur mit Menschen zu tun haben, Sir?”.
    „Das
wird sich noch zeigen, Melville. Wenn unsere Feinde die Füße
stillhalten, wird sich auch an deiner Klientel nichts ändern.“ und
er lacht kurz trocken auf. Auf den Bildern in der Mappe sehe ich
Auszüge von Chatgesprächen, leicht unscharfe Fotos von Personen und
eine Bestellliste über Zubehör, das möglicherweise zum
Brandsatzbau geeignet ist. Er geht auf mich zu und reicht mir
plötzlich die Hand.
    „Du
wirst einen guten Dienst für die Camarilla leisten. Ich vertraue auf
dich, dass du uns nicht enttäuschen wirst.”, betont er
eindringlich.
    „Ich
werde meinen Clan nicht enttäuschen, Sir, ich danke Ihnen für diese
Möglichkeit.”. Er brummt kurz zustimmend und wendet sich zum
Gehen, als er noch anfügt
    „Mach
dich mit Allem vertraut, damit du deine Werkzeuge kennst. Morgen,
zweiundzwanzig Uhr.”.
    „Guten
Abend noch, Sir.”, wünsche ich ihm pflichtbewusst, dann verlässt
er das Haus. So stehe ich da, leicht verloren, die Akte schlaff in
der Hand und weiß, ich werde über mich hinaus wachsen müssen, um
das hier zu können. Ich seufze einmal kurz leise auf, erinnere mich
aber sofort an die Kamera und fange an, sämtliche Schränke und
Schubladen zu durchstöbern. Übe die Verschlüsse der Bandagen
schnell zu öffnen und zu schließen, teste die Wasserhähne und
bemerke erst sehr spät den Abfluss, der in den Boden eingelassen
ist. Eine Zeit lang stehe ich über ihm und betrachte ihn schweigend.
Ein Abfluss im Boden.
    Worauf
hast du dich da nur eingelassen, Melville?

    Jetzt
sitzt er da, auf dem Stuhl, gefesselt und die Augen verbunden. Sein
Kopf an der hinteren Lehne fixiert, zappelt er kläglich gegen die
Bandagen an. Noch hat er mich nicht gesehen. Zwei große Muskelprotze
haben ihn hier angeliefert und hereingeschleppt. Ich musste ein
Übergabeprotokoll unterschreiben und dann waren sie auch schon fort.
    Ich
stehe schweigend einige Meter hinter ihm und betrachte ihn
nachdenklich. Immer wieder ruft er wütend in die hallende Leere
dieses Raumes hinein. Er ist sich seiner Lage wohl mehr als bewusst.
Doch ich habe noch nicht den Mut gefasst und die richtige Eingebung
gehabt, was ich jetzt machen soll. Doch ich weiß, ich muss etwas
tun. Ich muss!
    Ich
wende mich der Arbeitsplatte zu, auf der ich schon einige Werkzeuge
bereitgestellt habe und greife zaghaft nach einem Paar Klammern. Doch
unsicher lasse ich sie wieder zurück auf den Tisch sinken und greife
lieber nach einem längeren Messer. Ich wiege es etwas in der Hand,
es ist ziemlich schwer.
    Ich
drehe mich herum und gehe langsam auf ihn zu. Mit der weißen
Kunststoffschürze und den Handschuhen, die ich trage, komme ich mir
selber wie ein Metzger oder besser gesagt, wie ein Schlachter vor.
Ich gehe noch einmal seine persönlichen Daten durch. Name, Beruf,
Familienstand und Wohnadresse. Die Namen seiner Freunde und den Namen
des möglichen Anschlagsziels, ein Neonatus meines Clans. Ein
Neonatus, der gerade so dem Status des Kükens entstiegen ist. Und
jetzt bin ich es, ein Küken, der sich für ihn die Hände schmutzig
macht.

    Ich
stelle mich vor mein geplantes Opfer.
    „Mr
Hayes, schön, dass Sie es zu mir geschafft haben.”.
    „Nehmen
Sie mir die verdammte Augenbinde ab, damit ich Sie sehen kann!“,
schreit er als Antwort zurück. Doch ich denke nicht daran, das zu
tun. Er soll mein Gesicht nicht kennen.
    „Aber,
Mr Hayes, beruhigen Sie sich doch etwas und genießen Sie die Zeit,
die Sie noch haben.”. Ich gehe mit der Klingenspitze nach vorne und
lege sie an seine Wange, damit ihm klar wird, was ich in der Hand
habe. Auch wenn meine Hand erst leicht gezittert hat, sicher nur aus
psychischen Gründen, denn meine Muskeln erleiden keine Schwäche
mehr, fasse ich mir doch ein Herz und umgreife das Messerheft fest
und drücke es in seine Haut. Nur ganz leicht durchstoße ich sie,
eine feine Linie dieses alarmierenden Rots tritt zum Vorschein.

Weitere Kostenlose Bücher