Melville
richtig zu. Und als wir an einer roten Ampel stehen,
nutze ich die Gelegenheit und stürze fast schon aus dem Fahrzeug.
„Melville!”,
höre ich ihn noch rufen, dann bin ich außer Hörweite.
Schnell
hetze ich an den Menschen vorbei. Ständig bewertend, ob sie für
mich trinkbar sind oder nicht. Einige blicken mich leicht panisch an,
andere interessiert es überhaupt nicht.
Und
der Erste, der sich als geeignet herausstellt, fesselt meinen Blick.
Ich blende alles um mich herum aus, mein Körper spannt sich an und
ich präge mich auf seinen Duft, auf seinen Herzschlag. Mit
Kopfhörern im Ohr und kaugummikauend läuft er langsam durch die
Massen. Fast schon unerträglich langsam für mich. Ich folge ihm mit
knappem Abstand und warte nur auf eine Gelegenheit, ihn unbemerkt
abdrängen zu können. Ich befeuchte immer wieder meine Lippen und
nur die Verpflichtung, der Maskerade und Benedict gegenüber, lässt
mich noch einigermaßen zurückhaltend wirken.
Der
Mann stellt sich an den Straßenrand, umgeben von unzähligen anderen
Zeugen, dann hält ein Wagen neben ihm. Er steigt ein und fährt
davon. Ich fluche laut auf, was mir wieder die Aufmerksamkeit einiger
Passanten zusichert.
Ich
streife weiter durch die Straßen, suche auch bewusst die Nähe zu
unbelebteren Seitenstraßen, um nicht so auf das Schicksal hoffen zu
müssen. Das Schicksal ist eine übellaunige Unbekannte.
Wieder
ist es ein Mann, der mich für sich einnimmt. Es fühlt sich immer
an, wie eine kurze Schwärmerei, die ich für meine auserwählte
Beute empfinde. Diesmal muss es klappen!
In
einen Kurzmantel gehüllt und schnellen Schrittes, läuft er erst in
ein Geschäft hinein. Ein Kiosk, der 24 Stunden geöffnet hat. Er
kauft sich eine Flasche Wein und eine Zeitschrift. Ich tue vollkommen
unbeteiligt und erkenne erst hier, in einer Spiegelung, dass mir noch
verkrustetes Blut im Gesicht klebt. Schnell, aber unauffällig,
versuche ich mich davon zu befreien. Ich gebe ihm etwa zehn Schritte
Vorsprung, dann gehe ich wieder hinter ihm her. Und tatsächlich habe
ich diesmal mehr Glück. Er begibt sich in eine weniger frequentierte
Seitenstraße und holt bereits seine Haustürschlüssel hervor. Ich
eile dichter an ihn heran, er sieht mich sogar einmal an, da ich ihn
aber bewusst nicht direkt ansehe, fühlt er sich anscheinend auch
nicht bedroht. Er wendet sich einer Eingangstür zu und schließt sie
in dem Moment auf, als ich an ihm vorbei gehe. Ich mache eine
schnelle Drehung, höre mich selbst etwas knurren und schubse ihn in
den Hausflur hinein. Bevor ich ihn wirklich gepackt habe, fahre ich
bereits meine Reißzähne aus. Meiner Körpergröße habe ich zu
verdanken, dass er mir nicht wirklich entkommen kann, obwohl er es
beherzt versucht. Ich schlage meine Zähne in ihn, mein gieriges
Raunen erfüllt den Häuseraufgang. Er schreit erst um Hilfe, doch
ändert sich seine Gegenwehr abrupt, als ich beginne sein Blut aus
ihm herauszusaugen. Wie dringend ich es doch brauche. Dringend! Und
als er in das gewünschte Delir abdriftet, lässt er seine
Einkaufstüte fallen und ich höre ganz unterschwellig, wie seine
Weinflasche zu Bruch geht. Seine Körperspannung wird schwächer,
aber ich bin vollkommen Unwillens von ihm abzulassen. Seine Beine
sacken zusammen und im nächsten Moment kauere ich über ihm am
Boden. Die letzten Milliliter, er soll sie mir geben. Alles was er
hat. Und das erste Mal schmecke ich den süßen und verbotenen
Geschmack der letzten Lebensessenz, während die Beute ihr Dasein
aushaucht und ich der endgültige Genießer dieser Hingabe bin.
Sirupgleich fließen mir die letzten Schlucke in den Rachen, dann
lasse ich von ihm ab. Zutiefst befriedigt und erhaben, ein
animalischer Moment... bis ich begreife, was ich getan habe.
Panik
folgt dem anfänglichen Siegesrausch. Er ist tot... Benedict wird mir
das niemals verzeihen! Niemand darf ihn finden... niemand! Ich greife
in seine Manteltasche, sehe auf seinen Ausweis und blicke zu den
Briefkästen. Er wohnt im ersten Stock. Ich greife noch nach seinen
Schlüsseln, die im Gerangel zu Boden gefallen sind. Ich brenne ein
Teil meines gerade geraubten Lebenssaftes und stemme ihn mit
gesteigerter Körperkraft, um ihn die Treppe hochschleifen zu können.
Ich muss mich beeilen, nicht dass noch jemand in das Haus kommt.
Ich
öffne seine Wohnungstür und zerre seinen Körper unsanft in das
Wohnzimmer.
Schnell
hetze ich erneut die Treppe herunter und greife die Tüte mit der
zerbrochenen Flasche und der
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