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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Land unter einem weißen Lichtschein, der die Nacht durchbrochen hatte. Die notdürftig bekleideten Dorfleute liefen aufgeregt hin und her und suchten ihren Hausrat aus den brennenden Hütten zu bergen.
»Komm heraus, Abdi!« brüllte Recep, »oder du wirst gebraten wie Kebab! Keine Sorge, Memed, er muß jeden Augenblick aus der Tür kommen. Es gibt keinen anderen Ausgang. Laß ihn krepieren, sobald er auftaucht!«
Eine alte Frau rannte unter den Maulbeerbäumen hervor, verschwand in dem brennenden Haus, bevor Sergeant Recep den Mund auftun konnte. Augenblicke später kam sie wieder zum Vorschein, eine Matratze vor sich her tragend, die sie unter den Bäumen niederlegte. Dann schleppte sie eine kleine Nußbaumtruhe heraus, Töpfe, Kelims, Schüsseln, Schlafdecken. Als sie schließlich wieder erschien, eine große, zusammengerollte Bettdecke in den Armen, ging hinter ihr die Tür in Flammen auf.
Memed und Cabbar in ihrer Deckung und Sergeant Recep neben dem Haus warteten, die Blicke auf den brennenden Ausgang gerichtet, in atemloser Spannung. Abdi kam nicht zum Vorschein. Die Flammen leckten an den Außenwänden hoch, das Haus sank allmählich in sich zusammen. Immer noch war nichts zu sehen. Mit weitaufgerissenen Augen starrten sie auf die wüste Stätte, auf die brennenden, sich nach innen umlegenden Zimmerwände. Von Abdi war keine Spur zu sehen.
Der Nordost hatte an Stärke zugenommen. Die Flammen sprangen von Hütte zu Hütte weiter. Fast alle Behausungen brannten lichterloh. Die Umgebung war in grelles Licht getaucht wie am Tage, wenn der rote Glutball der Çukurova-Sonne über der Ebene hing. Die langen Schatten der Maulbeer- und Weidenbäume fielen auf den feuchten Boden und vermischten sich mit den Umrissen hin und her huschender Menschen.
Der Wind schien nur noch aus Flammen zu bestehen, die irgendwoher unablässig herangepeitscht wurden.
»Er muß uns doch entkommen sein!« rief Memed.
»Es war kein Schlupfloch da, aus dem er hätte entwischen können«, sagte Sergeant Recep. »Ich bin eigens deshalb dauernd um das Haus herumgegangen, um ihn nicht ausbrechen zu lassen. Er ist drinnen verbrannt. Das war ihm lieber, als uns in die Hände zu fallen.«
»Vielleicht.« Cabbars Stimme klang zweifelnd.
»Möglich«, meinte Memed. »Und dabei wollte ich ihn tot vor mir sehen.« Er seufzte. »Allah hat es nicht gewollt. Und jetzt brennt ein ganzes Dorf wegen dieses Verfluchten.«
»Laß es brennen«, sagte der Sergeant. »Wenn es nach mir geht, kann die ganze elende Çukurova abbrennen.«
»Was soll aus den Leuten hier werden?« fragte Memed.
»Die haben so oder so nichts. Da laß sie auch noch ihre Hütten verlieren, das ändert nicht viel für sie. Sie werden so arm sein wie eh und je.«
»Höre, Sergeant, wollen wir noch lange hier warten? In der Stadt wissen sie bestimmt schon alles. Sobald es Tag wird, ist der Teufel los!«
Recep brach in schallendes Gelächter aus. »Ja, sie werden ein Telegramm nach Ankara jagen, ein Dorf sei in Brand gesteckt worden. Bald wird die Hölle losbrechen. Wir müssen uns jetzt in die Klippen von Anavarza schlagen. Wenn wir uns in der Ebene erwischen lassen, sind wir erledigt.«
Die drei blickten noch einmal seufzend auf das abgebrannte Haus zurück, dann machten sie sich auf den Weg.
Als das Dorf hinter ihnen lag, wandten sie sich um. Sie sahen ein einziges Flammenmeer.
»Mein Gott!« sagte Memed. »Kein Haus ist übriggeblieben. Daran ist nur der Nordost schuld. Das habe ich nicht gewollt, das nicht. Lieber wäre ich gestorben!«
»Das ganze Dorf ist niedergebrannt«, sagte Cabbar bekümmert.
»Habt ihr gemerkt«, begann Memed wieder, »wie sie uns alle angesehen haben, als wir gegangen sind? Wie versteinert, keiner hat den Mund aufgemacht. Sie haben uns nicht verflucht oder mit Steinen beworfen, nur stumm angestarrt. Das war das schlimmste. Nein, lieber wäre ich gestorben, als das sehen zu müssen.«
Der Sergeant ließ sich nicht darauf ein. »Es ist nun mal geschehen. Oh, mein Hals! Jetzt geht es zu Ende ... Mein Hals, mein Hals! Als ob er mir abgeschlagen würde ... «
Er ließ sich stöhnend auf den Boden fallen, stützte den Kopf zwischen die Hände und blieb eine Zeitlang so sitzen. Memed und Cabbar standen abwartend neben ihm, als sich Recep plötzlich in Krämpfen am Boden wand. Vergebens versuchte Cabbar, den wie eine Stahlfeder hin und her schnellenden großen Mann zu halten. Vom Dorf her drang das Geschrei einer Menschenmenge an ihre Ohren.
Der geschweifte Komet war

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