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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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»Hinlegen!« rief Recep und warf sich nieder. »Sie feuern ins Ried. Keinen Laut, nicht zurückschießen. Wir müssen in das Röhricht hineinkriechen. Entladet die Gewehre. Ein einziger Schuß, und wir sind verloren.«
Von der anderen Seite antwortete wütendes Feuer. Die Abschüsse blitzten wieder und wieder im Dunkel auf. Dann wurde es still.
»Hier sind sie nicht«, hörten sie eine halblaute Stimme. »Sonst hätten sie zurückgeschossen.«
Ein anderer von den Gendarmen sagte: »Die Bauern kommen gleich, die wissen es genau.«
Die Leute aus den verbrannten Hütten näherten sich. »Sie können nur auf Anavarza zu gelaufen sein ... Im Ried, in der Çukurova, da verbirgt sich kein Bandit, wenn er nicht den Verstand verloren hat.«
Jetzt stieß die ganze Dorfbevölkerung mit Frauen und Kindern zu den Gendarmen. Von überallher drang aufgeregtes Geschrei durch die Nacht. Die wütende, rachedurstige Menschenmenge schwärmte nach allen Richtungen aus, bis zum Rand des Rieds und über die Felder.
Bald darauf hörte man Schüsse von Anavarza her.
»Nach Anavarza! Nach Anavarza!« Die Menge ergoß sich in Richtung auf die Klippen über die Ebene, weithin war das Getrappel unzähliger Schritte zu hören.
»Rührt euch nicht vom Fleck!« befahl der Sergeant. »Die Leute hätten uns nicht besser helfen können. Sie führen die Gendarmen in die Irre. Aber jetzt mäuschenstill!«
Memed spürte Receps fiebrigheißen Atem an Ohren und Hals.
Kaum fünfzehn Meter von ihnen liefen die Gendarmen nervös und unschlüssig hin und her. Die drei duckten sich noch tiefer ins Gestrüpp, ihre Herzen klopften bis zum Hals. Unterhalb der Anavarza-Klippen wurde immer noch vereinzelt geschossen. Die Verfolger kreisten noch ein paarmal in der Nähe, beredeten sich, dann zogen sie ab.
»Allah sei Dank!« Sergeant Recep atmete tief auf »Wenn wir diesen Bauern in die Hände gefallen wären ... Jetzt heißt es mitten hinein ins Ried.«
Sie erhoben sich. Recep blieb nach zwei Schritten stehen. »Was ist denn, Sergeant?« fragte Memed.
»Oh ... «, stöhnte Recep auf Er konnte nicht sprechen.
»Antworte doch, was sollen wir machen?«
»Hinein ... «, stammelte der Sergeant, kaum hörbar, »ganz hinein ... in Deckung ... «
Memed faßte ihn an einem Arm, Cabbar am anderen. Recep schleppte die Füße nach, als sei kein Leben mehr in ihnen. Sie zerrten ihn so mit sich, bis der Morgen heraufdämmerte. Die Sümpfe schwammen in orangefarbenem Frühlicht, mit dem das Dunkelgrün des Riedgrases verschmolz. Blauer Nebel dampfte himmelwärts über die ganze Ebene.
Die Dornen von Brombeersträuchern zerkratzten ihnen die Beine. Memed dachte an die Graudisteln. Sekundenlang überflutete ihn der gelbe Messingglanz.
Vorsichtig legten sie den Sergeanten ins Gebüsch. Receps Kopf und Hals waren bis zur Unkenntlichkeit aufgeschwollen. Wieder und wieder öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Er zeigte in Richtung Anavarza, blickte fragend die Gefährten an. Einige Tränen quollen ihm aus den Augen, dann schloß er sie. Er streckte sich in seiner ganzen Länge aus, richtete sich noch einmal halb auf und fiel zurück.
»Sergeant!« rief Memed halblaut. »Unser armer Sergeant! Nie hätte ich geglaubt, daß er sterben könnte.«
»Er hat es gewußt«, sagte Cabbar. »Er hat ja dauernd davon gesprochen.«
»Ob er jetzt wohl seinen Frieden gefunden hat?« meinte Memed nachdenklich.
»Niemand hat gewußt, wer er wirklich war, wo er herkam, warum er Bandit geworden ist ... «
»Er war noch mehr auf Abdis Tod aus als ich selbst. Dabei war Abdi doch mein Feind, nicht der seine. Aber er hätte dich beinahe in Stücke gerissen, als du gesagt hast, er sei uns entkommen!«
»Zieh dein Messer heraus, Memed, wir wollen unserem geheimnisvollen Sergeanten ein Grab schaufeln.«
In einer Stunde Arbeit hatten sie eine kleine Grube in dem nassen Morastboden ausgehoben. Dann schnitten sie ein paar starke Äste und dornenloses Buschwerk ab. Sie legten den Toten in sein Grab, zwängten die Äste über ihn hinein, schichteten die Zweige darüber und bedeckten das Grab mit Erde.
»Cabbar, neben unserem Sergeanten soll noch ein Baum stehen.«
»Du hast recht. Wir wollen ihm einen Baum aufs Grab pflanzen.« Nach langem Suchen fanden sie einen armdicken Maulbeerbaum im Ried, gruben ihn aus und pflanzten ihn zu Häupten des Sergeanten wieder ein.
»Das ist sicher das erste Grab hier in den Sümpfen«, meinte Memed. Bald darauf ging die Sonne auf, das

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