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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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»Willst du sie verkaufen, Döne?«
    »Ja, Aga.« Sie flüsterte es fast, ohne den Blick vom Boden zu erheben.
    Er winkte Dursun herbei. »Nimm Schwester Döne die Kuh hier ab und bring sie in unseren Stall.«
    Dann zog er den Schlüsselbund aus der Tasche.
    »Hast du einen Sack mitgebracht, meine Tochter Döne?« Seine Stimme war weich, liebevoll.
    »Ja«, sagte Döne.

7
    Wo Eichen wachsen, dort sieht man kaum einen anderen Baum. Dort gibt es auf Bergen und Felsen, Tälern und Hügeln nur Eichen. Sie sind von einer besonderen Art, mit kurzen, dicken Stämmen und verkrüppelten, nicht über einen Meter langen Ästen. Dicht aneinander sitzen ihre dickfleischigen, grünen Blätter. So fest haben sie sich mit der Erde verbunden, mit all ihren Kräften, daß es scheint, nichts werde sie jemals von ihr trennen können. Eichenboden ist trocken, weiß wie Kreide. Es ist, als habe sich der Boden verschworen, außer den Eichen kein Wachstum zu dulden.
Zwischen Kadirli und Ciğcik liegen kleine, sanft gebreitete Hügel mit fetter, toniger, pechschwarzer Erde. Das sind die letzten Ausläufer der alten Çukurova-Sümpfe. Sie grenzen im Westen an die Sümpfe von Ağcasaz, im Osten an die Kiefernwälder des Taurus. Diese Hügel sind von oben bis unten bebaut. Auf den Feldern stehen Eichen, so hoch wie Zypressen. Ihre Zweige versprühen frisches Grün. Ihre Stämme sind nicht schwielig verknorpelt wie die der kurzen Eichen unweit. Es sind glatte Stämme, wie sie Pappeln haben. So stehen sie mitten auf den Feldern, als ob sie nicht Eichen wären, sondern irgendwelche gewöhnliche Bäume.
Das Distelfeld wogte grün, purpurn und weiß. Steine und Boden waren mit Reif bedeckt. Mitten im Distelfeld pflügte er, zerriß sich die Beine, unbarmherzig biß die trockene Morgenkälte. Unter der weißen Hitze führte er den Dreschschlitten, ausgedörrt und zu Tode erschöpft. Von dem, was er dem Boden mit Zähnen und Nägeln abgerungen hatte, riß ihm Abdi Aga drei Viertel aus der Hand. Den anderen nahm er nur zwei Drittel ab. Von diesem Jahr an war der Haß sein ständiger Begleiter, der ihn nie mehr verließ. Er schlug und erniedrigte ihn, wie es ihm einfiel.
Jeder Mensch wächst heran und entwickelt sich je nach dem Boden, auf dem er geboren wird. Memed war auf unfruchtbarem Boden herangewachsen. Tausendundeine Not hatten seine Entwicklung auf halbem Wege stillstehen lassen. Schultern und Beine waren nicht voll ausgeformt, seine Glieder glichen trockenen Ästen. Das Gesicht mit den ausgehöhlten Wangen war tief verbrannt von der Sonne. Er hatte etwas von der mit dem Boden in eins verwachsenen Eiche. In seinen scharfen, strengen Zügen war nur eine kleine Insel der Jugendfrische geblieben, die Lippen. Es waren Kinderlippen mit ihrer Röte, ihrem zarten Schwung, über die immer ein Lächeln zu spielen schien, angenehm abstechend von der strengen Bitterkeit, die sonst in diesem Gesicht herrschte.
An diesem Morgen wußte sich Ince Memed vor Freude nicht zu fassen. Er lief vor die Tür, spazierte im Sonnenschein herum, trat wieder ins Haus. Wieder und wieder zupfte er das Taschentuch zurecht, das er in die Tasche seiner neuen, von Schmugglern stammenden Jacke gesteckt hatte. Dann probierte er seine neue Mütze auf, zog sich die langen schwarzen Haarsträhnen darunter in die Stirn hinein. Er versuchte auch, sie zurückzustreichen, aber so befriedigten sie seinen prüfenden Blick im Spiegel nicht. Er zog sie sich wieder in die Stirn. ja, so konnten sie bleiben. Auch die Pluderhose, die er schon vor zwei Jahren gekauft hatte, trug er heute zum ersten Mal. Dann zog er vielerlei Strümpfe an und aus. Er hatte eine ganze Menge davon, seine Mutter verstand sich aufs Stricken, und die Muster, mit denen sie die Strümpfe bestickte, waren besonders schön.
Die Wahl fiel ihm schwer, und er ging mit einem heimlichen Seitenblick auf seine Mutter zur Truhe, öffnete sie und atmete den eigenartigen Geruch des Wildapfelholzes, der daraus emporstieg. Als er sich hinabbeugte und nach einem besonders bunt und kunstfertig bestickten Paar griff, durchflutete ihn Wärme, und er begann zu zittern ... Die satten Farben leuchteten auf dem düsteren Grund der Truhe. Aber erst als er die kleinen Kunstwerke ans Tageslicht geholt hatte, entfalteten sie ganz ihre strahlenden Farben.
Ein Volkslied hat nachts einen ganz anderen Klang als am Tage. Die Jungen singen es anders als die Alten. Auf dem Berge, in der Ebene, im Wald oder am Meer gesungen immer hört es sich wieder

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