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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Tragsack zog, feines, krustig gebackenes, schneeweißes Brot, eine riesengroße rote Zwiebel und auch etwas Magermilchkäse.
Der Alte begann zu essen.
»Kommt her, ihr Burschen«, forderte er sie auf. Memed sagte: »Mahlzeit!«
»Mahlzeit!« Der Alte drängte: »Kommt, kommt doch!«
Memed sagte nur: »Guten Appetit!«
Mustafa: »Guten Appetit!«
Der Alte wollte sich nicht zufriedengeben.
»Wir wollen in der Stadt essen«, fügte Memed hinzu. Mustafa wiederholte: »Wir werden in der Stadt essen.«
»Ah, ich verstehe«, schmunzelte der Alte. »Stadtbrot lockt. Aber ihr habt noch eine schöne Strecke Weg bis dahin.«
»Wir werden dort essen.«
»Ja, wir werden dort essen.«
Neben ihnen schäumte ein reißendes Wildwasser zwischen Felsen. Kauend deutete der alte Mann auf den Bach. »Immer diesen Wasserlauf entlang - dann könnt ihr den Weg nicht verfehlen.«
»Und du? Willst du nicht mit?« fragte Memed.
»Ja - zur Stadt will ich ja auch, aber mit euren jungen Füßen können die meinen nicht mehr mit!«
Er beendete sein Mahl, verschnürte sein Bündel wieder, ging ans Ufer, legte sich nieder und trank reichlich. Dann wischte er sich Mund und Bart mit der Handfläche ab und setzte sich zu den Burschen. Er griff nach einer großen Tabaksdose, nahm ein irgendwo herausgerissenes Blatt Papier, rollte sich eine fingerdicke Zigarette und schlug Feuer. Als der Zunder endlich flammte, stieg ein angenehmer Duft auf.
Der Alte rückte sich bequem am Stamm eines Granatapfelbaums zurecht. »Nun erzählt mal, ihr Jungen. Wo kommt ihr her?«
»Von Değirmenoluk«, antwortete Memed.
»Von Değirmenoluk«, wiederholte Mustafa.
»Also aus dem Dorf von diesem ziegenbärtigen Abdi, dem Gottlosen? Man hört ja, daß er sich als Aga wie ein Heide aufführt, die Bauern versklavt, sie hungern läßt und so weiter. Im Winter sollen dort die Leute vor Hunger umkommen. Sie sagen, keiner darf sich verheiraten, ohne daß er es erlaubt. Nicht einmal aus dem Dorf herauswagen dürften sich die Leute, heißt es. Auf seinen Dörfern soll er die Leute zu Tode prügeln. Er soll der Padischah über fünf Dörfer sein! Und da gibt es keine Regierungsgewalt außer ihm! Er kann mit jedem machen, was er will! Nun hört bloß - ausgerechnet Abdi, der Geißbart. So etwas nennt sich jetzt Aga!« Lachen schüttelte ihn. »Oh, Abdi, alter Ziegenbart!«
Dann, wieder ernst, mit finster gerunzelten Brauen, fragte er: »Sagt mal, ist das eigentlich alles wahr?«
Die beiden Jungen sahen sich an. In Memeds Augen glomm der böse Funke auf. Der Alte hatte die verstörte Scheu bemerkt, die den beiden die Sprache verschlug.
»Wißt ihr auch, ihr Burschen, daß er in Wirklichkeit so feige ist wie ein Hase, dieser geißbärtige Hund, dieser lächerliche Dorftyrann? Wie ein Weib ist er, dieser feine Held. Schade, Jungens, schade. jetzt ist es zu spät dazu, aber hätte ich nur gewußt, daß so ein Hund aus ihm werden würde, zur Hölle hätte ich ihn geschickt. Tausendmal schade darum! Der Ziegenbart!« Wieder brach er in schallendes Gelächter aus.
»Hahaha, der Abdi will Sultan spielen! Kerl, hätte ich das geahnt! Den Fluch über seine Mutter!«
Die beiden dicht nebeneinander hockenden Jungen betrachteten ihn mit ungläubigem Staunen.
»Also zu Abdis Dorfleuten gehört ihr! Ja, es ist schon eine ganze Weile her, seit er winselnd vor mir auf dem Bauch gelegen hat!«
Das kam Mustafa so unglaubhaft vor, daß er sich nicht mehr beherrschen konnte. Es half nichts, daß ihn Memed in die Seite stieß, dem Alten war das breite Lächeln des Burschen nicht entgangen.
»Habt ihr noch nie von Ahmet dem Mächtigen gehört?«
»Doch. Den kennen wir«, sagte Memed.
»Dich meine ich!« wandte sich der Alte streng an Mustafa. »Hast du auch von ihm gehört?«
»Aber gewiß doch!« grinste Mustafa. »Es gibt ja keinen, der ihn nicht kennt.«
»Als Abdi durch Siyringaç kam, wurde er von zwei Räubern ausgeplündert. Seine Frau nahmen sie mit. Und Abdi kam zu mir und lag zu meinen Füßen. Ich habe ihm seine Frau wieder herbeigeschafft, ich habe sie ihm zurückgegeben. Ja, hätte ich damals gewußt, daß er die Armen bedrücken würde ... « Ahmet der Mächtige war in den Bergen zu einer Legende geworden. »Wenn du nicht still bist, kommt Ahmet der Mächtige und holt dich«, drohten die Mütter ihren Kindern. Man sprach den Namen mit Schrecken aus, aber gleichzeitig auch mit Liebe. Hätte er nur Schrecken verbreitet, so hätte sich der berühmte Räuberhauptmann höchstens ein Jahr in den

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