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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Augenblick, faßte die Frau am Ärmel und beugte sich zu ihrem Ohr hinunter. »Dönes Sohn hat sie entführt, wie?«
Sie nickte, während sie sich die Tränen abwischte.
Den Aga hielt es nicht mehr länger. Er schrie nach seinen Leuten, nach allen Dorfbewohnern. Seinem Ansehen war ein schwerer Schlag versetzt worden. jetzt durfte er keine Minute zögern.
»Er wird mich kennenlernen, der Landstreicher, der elende Wicht! Alle Knochen werde ich ihm im Leibe zerbrechen.«
Das ganze Dorf wurde von einem Freudentaumel erfaßt. Aber die Leute hüteten sich, ihre Genugtuung offen zu zeigen; sie flüsterten nur miteinander. Überall waren Abdi Agas Horcher ...
Es regnete unaufhörlich. Unter dem Regen fanden sich die Dörfler zu kleinen Grüppchen zusammen, um das große Ereignis zu bereden. Es war ein eifriges Kommen und Gehen von Haus zu Haus. Alle waren durchnäßt, aber nur dicht beieinander konnte man frei reden ...
Plötzlich tauchten die Männer des anderen Dorfes auf, in einer Wolke von Gebrüll, der betrogene Bräutigam an der Spitze. Jeder trug eine Jagdflinte. Der Bräutigam schäumte vor Wut, stieß wilde Schreie aus: »Das ganze Dorf niederbrennen, dem Erdboden gleichmachen ... « Er ging geradewegs auf Memeds Haus zu. Darin saß Döne, die so aussah, als wüßte sie nichts von dem, was vorgefallen war. Der Bräutigam sprang vom Pferd, drang ins Haus, packte die Frau an den Haaren und schleifte sie bis vor Abdi Agas Tür.
Als der Aga sie sah, kannte seine Wut keine Grenzen mehr. Er kam, bearbeitete Döne mit seinen Stiefelabsätzen. Sie gab keinen Laut von sich, als er sie in den Schlamm trat. Nachdem Abdi Aga von ihr abgelassen hatte, begann sein Neffe, die im Schmutz liegende Frau zu mißhandeln. Schließlich ließ er sie liegen, lief durch den Hof, wütend seinen Schnurrbart zwirbelnd, um gleich darauf zurückzukehren und weiter die Daliegende mit den Füßen zu treten. Das Blut aus Dönes Mund rann in den Schlamm.
Abdi Aga war völlig von Sinnen. Er lief auf dem Hof hin und her, ohne ein Wort zu sagen, ohne jemanden zu sehen. Die Umstehenden starrten auf ihn und warteten ab, was er sagen würde. Immer, wenn er eine wichtige Entscheidung zu treffen hatte, wickelte er ein Stück seines Bartes um den Zeigefinger und zerrte daran. Das tat er jetzt ausgiebig. Als er schließlich stehenblieb, hielten alle den Atem an, alle blickten auf ihn.
Er ließ seinen Bart fahren, dann begann er ihn zu streichen. »Hört zu: Sie müssen noch in der Nähe sein, entweder bei den Felsen oder im Wald. Wir werden sie suchen, aber nicht mit so vielen. Zehn Mann ungefähr sind genug. Wenn ihn einer findet und ich bin nicht selbst da, dann wird ihm kein Haar gekrümmt, daß euch das klar ist. Zu mir wird er gebracht. Ich werde die Rechnung mit ihm glattmachen, kein anderer. Ich werde ihm beibringen, was es heißt, Abdi Agas Schwiegertochter zu entführen.«
Als er geendet hatte, trat Rüstem, ein Mann aus dem anderen Dorf, vor, ein blatternarbiger Kahlkopf mit einer unförmigen Nase. »Erlaubt einmal, Aga: Seit gestern abend hat es doch ununterbrochen geregnet, nicht?«
»Ja. Freilich«, kamen einige Stimmen zugleich aus der Menge. »Nun«, fuhr Rüstem fort, »der Schlamm zeigt schließlich ihre Spuren, und wenn nicht, wenn sie den Felsen entlang gegangen sind - dann müssen wir die Spuren suchen. Weit können sie nicht sein. Wir werden sie finden.«
»Drei Mann müssen dem Weg zur Stadt folgen«, ordnete der Aga an. »Ich habe gehört, sie sollen zur Stadt unterwegs sein ... «
Dann wandte er sich Rüstem zu: »Wer soll die Spuren sichern?«
»Ali der Hinkende! Der verfolgt selbst die Spur eines Vogels, wenn er nur mit der Schwinge den Boden berührt hat.«
»Bringt mir Ali den Hinkenden!« befahl Abdi Aga. »Hier ist er ja!« riefen einige.
Ali kam, einen Fuß nachschleppend, baute sich vor dem Aga auf »Macht Euch keine Sorgen, Herr. Wenn Ince Memed nur den Boden berührt hat - ich finde ihn. Wenn er sich nicht in einen Vogel verwandelt hat ... Ihr könnt ganz unbesorgt sein.«
Die Leute aus Alis Dorf rühmten den Spurensucher vor den anderen Dörflern und vor dem Aga: »Seit fünfzehn Jahren ist bei uns keine Nadel gestohlen worden. Ali der Hinkende kommt jedem Dieb auf die Spur, da geht nichts drüber!«
»Der geht sogar der Witterung der Hirsche nach, bis er sie am Futterplatz findet!«
»Er heißt Ali der Hinkende, Aga.«
»In dieser Gegend hier gibt es keinen Steinmarder mehr.«
»Wegen Ali dem Hinkenden.«
»Selbst wenn Ince

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