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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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sehen, daß sie von der ersten Minute an deine Kameraden sein wollen; sie sind freundschaftlich mit dir, nehmen Anteil an deinem Geschick. Aber du darfst dich ihnen nie ganz aufschließen. Es muß immer ein Abstand bleiben. Es macht Eindruck auf sie, wenn du deine Würde behältst. Mit allen gleich gut Freund sein zu wollen, ist diesen Leuten gegenüber ein Fehler. Wenn sie eine schwache Stelle an dir entdecken, dann hast du dein Leben lang keine Ruhe, und dein Ansehen bei ihnen gilt keine zehn Kuruş mehr. Mit der Zeit wirst du sie kennenlernen. Beurteile sie nach ihren Taten, nicht nach ihren Worten! Dann suche dir den heraus, der zum wirklichen Kameraden taugt.
Weißt du, zwischen dem Leben in den Bergen und dem im Gefängnis gibt es keinen Unterschied. Hier wie dort gibt es Anführer und die anderen, die die Sklaven der Anführer sind. Und zwar die niedrigsten Sklaven ... Die Häuptlinge leben wie die Fürsten, die anderen wie die Hunde ... Du mußt selbst ein Anführer werden. Aber mach die anderen nicht zu deinen Sklaven. Das soll dein Geheimnis sein fürs Leben. Der tolle Durdu wird dir eine Flinte geben. Mit der Zeit kriegst du auch die anderen Waffen in die Hand. Ich will losgehen jetzt und herausbringen, in welcher Gegend sich Durdu herumtreibt.«
Süleyman wußte, daß einer im Dorf dem Durdu als Hehler diente. Von ihm erfuhr er den Aufenthaltsort des Bandenführers. Durdu stammte aus Aksöğüt, dem gegenüberliegenden Dorf. Süleyman hatte ihn von Kindheit an gekannt. Sein Vater war aus dem Krieg nicht zurückgekehrt. Wenn Durdu und seine Mutter nicht verhungert waren, so hatten sie es nur Süleymans Hilfe zu verdanken.
Er war jetzt fünf Jahre in den Bergen, hauste in den Dörfern wie ein Mordbrenner, machte alle Straßen unsicher. Wer auch immer ihm in die Hände fiel, mußte seinen Weg splitternackt fortsetzen. Durdu nahm ihm alles ab, auch die Unterkleider. Er kannte keinen Unterschied zwischen Freund und Feind.
Es kam Süleyman schwer an, daß er Memed diesem Menschen ausliefern sollte. Dem war es zuzutrauen, daß er den Jungen kurzerhand umbrächte, wenn ihm die Laune danach war.
»Ich weiß jetzt, wo der tolle Hund steckt«, sagte Süleyman zu Memed. »Auf dem Duman-Berg soll er sein. Wir müssen da hinauf und drei Schuß abgeben. Dann kommen seine Leute und bringen uns zu ihm. Ich traue dem Kerl nicht über den Weg, aber er hält immerhin große Stücke auf mich. Ja, wenn es hier herum noch eine andere Bande gäbe ... «
Nach Sonnenuntergang machten sie sich auf, Süleyman voraus, Memed hinter ihm. Als sie das Dorf verlassen hatten, wandte sich der Alte um: »He, Memed! Wenn du jetzt zu den Räubern gehörst, wirst du dann auch unser Haus überfallen?«
»Das wird sogar das allererste sein. Das bin ich mir doch schuldig, als Mitglied der Bande von Durdu dem Tollen!«
Süleyman lachte schallend.
»Nun, ehrlich gesprochen, ohne Spaß!«
»Habe ich dich vielleicht schon einmal belogen?«
Süleymans Miene veränderte sich. »Memed, Junge, hättest du eine Schlechtigkeit begangen, irgendeinen anderen Menschen umgebracht - mit diesen meinen Händen hätte ich dich zur Polizei geschleppt!«
»Einem anderen hätte ich kein Haar krümmen können.«
Der Alte blieb jäh stehen, faßte Memed am Kragen, schaute ihm fest in die Augen.
»Ince Memed, mein lieber Junge: Wenn du je einen Unschuldigen tötest oder einen, der nichts Schlimmes getan hat, oder wenn du einen Menschen seines Geldes wegen umbringst, dann werde ich dich zu fassen kriegen, so wie jetzt.«
»Sei ohne Sorge. Vom Töten habe ich für immer genug«, sagte Memed ruhig.
Süleyman ließ ihn nicht los. »Wenn dir noch mal ein Abdi Aga begegnet, und du bringst ihn nicht um - Junge, auch dann werde ich dich zu fassen kriegen! Und wären es hundert von der Sorte ... «
Memed lachte: »Darauf hast du mein Wort! Es wird mir nie zuviel werden ... «
Der Regen hatte seit dem Morgen aufgehört. Die Ebene war ein einziger Morast. Die Steine rutschten ihnen unter den Füßen weg, als sie langsam bergan stiegen. Es roch nach vermodertem Holz, bitteren Blüten und Gras. Die Sterne schienen übergroß, alle waren von einem leuchtenden Hof umgeben. Weiter oben hörten sie das Kollern einer Turteltaube. Es klang wie das Blöken eines Geißleins.
Als sie sich dem Gipfel des Duman-Tepe genähert hatten, sagte Süleyman: »Nimm deine Pistole, Ince Memed. Gib drei Schuß ab.« Dabei ließ sich der Alte schwer atmend auf den Boden fallen. »Ach ja! Es will nicht mehr

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