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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Dann lächelte er Durdu zu: »Teufelskerl, du verstehst es! Wo hast du nur all den Wermut her?« Rings um das große Feuer war der Boden ein dicker weicher Teppich von ausgebreitetem Wermutkraut, dessen aromatischer Duft die Nacht erfüllte.
Durdu brüstete sich. »Die Berge gehören uns, Onkel. Wir finden hier schon, was wir brauchen.«
»So, so! Also hast du auch schon das Wermutfeld im Grundbuch auf dich eintragen lassen?« lachte Süleyman. Währenddessen beobachtete Memed seine neue Umgebung aufmerksam.
Alle Bandenmitglieder trugen rote Fese. Das ist in den Bergen üblich, der rote Fes ist das Erkennungszeichen der Räuber. Man hat noch nie einen Banditen mit einer Kappe oder gar mit einem Hut herumlaufen sehen. Wer diesen Brauch aufgebracht hat, ist ungewiß. Mag sein, daß sich die wilden Haufen in den Bergen nicht vom Fes trennen wollten, als das Gesetz im ganzen Lande vorschrieb, an seiner Stelle einen Hut zu tragen.
Sobald sich Süleyman hingesetzt hatte, kamen die Bandenmitglieder einer nach dem anderen, boten ihm den Willkommgruß und küßten ihm die Hand. Auf Memed, der, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, hinter Süleyman saß und sich so klein wie möglich machte, warfen sie seltsame Blicke, halb neugierig, halb mißtrauisch.
»Wenn ihr wissen wollt, was es mit diesem Jungen auf sich hat«, sagte Süleyman, »er heißt Ince Memed. Er hat einen Mord begangen. Drum habe ich ihn zu euch gebracht.«
Bei dieser Vorstellung schrumpfte Memed noch mehr in sich zusammen.
Durdu blickte Memed an, dann Süleyman. Erstaunt fragte er: »Du meinst, er soll mit uns losziehen?«
»Wenn ihr ihn haben wollt. Sonst wird er auf eigene Faust gehen.«
»Onkel Süleyman, wenn du ihn zu uns bringst ... «
Er griff in seinen Mantelsack, brachte einen Fes zum Vorschein und warf ihn Memed zu.
Der stand da wie im Traum, fing das Stück Filz in der Luft auf.
»So, mein junger Kämpfer, setz das Ding auf! Das ist mein eigener alter Fes. Einen anderen haben wir nicht da. Später finden wir dir einen besseren.«
Dann drehte er sich zu Süleyman um, lachte unter seinem Bart: »Wunderbar, ist noch jung, der Bursche.«
»Was hat das zu besagen, wenn er Abdi Aga zum Teufel geschickt hat! Wegen eines gestohlenen Esels geht man nicht in die Berge.«
Durdu war fassungslos vor Erstaunen. »Was, Abdi Aga? Abdi Aga, sagst du? Das ist ja ein tolles Stück! «
»Na, was hast du denn gedacht?« sagte Süleyman befriedigt.
Durdu starrte Memed immer noch ungläubig an. »Du hast ja nicht einmal eine Flinte, Bruder. Das hast du gut gemacht, es dem Abdi Aga heimzuzahlen, dem Blutsauger von fünf Dörfern. Diesem Blutegel ... «
Dann befahl er, zu Cabbar gewandt: »Wo hast du die Flinte vergraben, die wir beim letzten Überfall mitgenommen haben? Hole sie her, und bringe auch ein, zwei Patronentaschen mit. Und vergiß die Patronen nicht.«
Aber es wollte ihm noch nicht recht in den Kopf, daß so ein Winzling von einem Jungen den Abdi Aga zur Strecke gebracht haben sollte.
Süleyman hatte seine nachdenklich-zweifelnden Blicke aufgefangen. »Übrigens hat er nicht nur den Abdi Aga getötet. Dessen Neffen auch.«
Jetzt wußte Durdu überhaupt nicht mehr, was er sagen sollte. Er stand mit offenem Mund da. Memed kroch noch mehr in sich zusammen, kauerte wie fröstelnd am Feuer. Kleine Schalen mit heißem Tee wurden den beiden gereicht.
Süleyman neigte sich zu Memed hinüber. »Jetzt beginnt das Räuberleben, Junge. Halte die Ohren steif!« Seine Stimme klang liebevoll, wie die eines Vaters.
Immer mehr Holz wurde auf das Feuer geworfen. Mit der Wärme nahm auch der angenehm-strenge Duft des Wermutkrauts zu. Die Helle der Flammen ließ die Sterne zu winzigen Pünktchen zusammenschrumpfen.
»Sei ohne Sorge, Onkel Süleyman«, sagte Durdu, »solange ich da bin, wird ihm kein Haar gekrümmt.«
Der Alte musterte ihn von Kopf bis Fuß, in seinem Blick war Mitleid. »Du gehst schnurstracks in den Tod, Durdu.«
»Warum denn, Onkel?« lachte der Häuptling.
»Ein richtiger Bandit würde nie so ein riesiges Feuer machen, oben auf dem Gipfel. Man soll seine Feinde nie unterschätzen. Das heißt mit offenen Augen ins Verderben rennen.«
Durdu brach in schallendes Gelächter aus: »Aber Onkel! Wer kann uns denn hier oben sehen?«
»Vielleicht heute nicht, morgen nicht, aber ... aber dann.«
»Nichts werden sie sehen. Und selbst wenn - glaubst du denn, Durdu der Tolle würde die Gendarmen an sich heranlassen? Oh, da kennst du Durdu den Tollen nicht, den Adler in

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