Memed mein Falke
bis zu Recep, der blutüberströmt auf der rechten Seite lag. Als er sie sah, lächelte er mit zusammengebissenen Zähnen und hob mühsam den Kopf »Jungens, seht zu, daß ihr eure Haut rettet. Das sind mindestens hundertffünfzig Mann. Laßt mich hier hegen. So will es das Schicksal ... «
Sie schauten nach seiner Wunde. Das Geschoß war in den Hals gedrungen und hatte den Körper über dem Schulterblatt wieder verlassen. Der Knochen war unverletzt, aber das Fleisch um die Austrittsstelle war nur noch blutiger Brei.
»Hört, ihr« sagte Sergeant Recep. »Behaltet mir den Cabbar im Auge. Ein Teufelskerl. Der hält eine Armee in Schach. Ohne ihn hätten sie mich durchlöchert wie ein Sieb. Er hat das Feuer auf sich gelenkt, als er sah, daß ich getroffen war. So mörderisch hat er gefeuert, daß ihnen angst und bange geworden ist.«
Sie zerrissen sein Hemd und verbanden die Wunde.
»Brecht durch«, murmelte Recep, halb ohnmächtig.
»Unmöglich, Sergeant«, sagte Memed. »Wenn wir das versuchen, werden wir glatt abgeknallt. Noch haben sie Angst vor uns. Entweder halten wir bis zum Abend aus, oder wir beißen hier ins Gras.«
Sergeant Recep überlegte, das Gesicht verkrampft, um nicht vor Schmerzen schreien zu müssen. »Ich glaube, du hast recht, Memed, mein Junge. Wenn auch nur einer von euch zur Flucht ansetzt, seid ihr alle erledigt. Sammelt alle, laßt sie schwören, keinen Schritt zurückzugehen. Jeder Ausbruchsversuch bedeutet den Tod. Haltet aus. Sie wagen es bestimmt nicht, anzugreifen. Sonst wären sie längst gekommen. Sie fürchten irgend etwas, einen Hinterhalt.«
»So müssen wir es machen, Durdu Aga. Das einzige, was uns noch übrigbleibt.«
»Aber auf den Sohn von Zala müßt ihr gut aufpassen«, sagte Recep. »Ein feiger Hund, der erste, der versuchen wird, fortzulaufen. Laßt ihn nicht aus den Augen!«
»Wir wollen unsere Leute zusammenholen. Horali und Cabbar sollen weiterfeuern, um sie hinzuhalten.«
Durdu drehte sich um, pfiff zum Sammeln. Seine Gefolgsleute verstanden nicht, was das bedeuten sollte in einem Augenblick, wo es von allen Seiten Blei hagelte.
»Ich möchte wissen, wie man sich in diesem Hexenkessel sammeln soll«, maulte Zalas Sohn zu seinem Nachbarn. »Es hat ja doch keinen Zweck mehr. Sergeant Recep ist auch schon hin.«
Horali kam als erster, dann Yusuf der Rote, dann Güdükoğlu.
»Wo steckt der Junge von Zala?« fragte Durdu argwöhnisch.
»Der kommt noch«, sagte Horali. »Hat die ganze Zeit am Boden geklebt und nicht einen Schuß abgegeben. Gezittert hat er wie Espenlaub.«
»Hm, seltsam«, sagte Durdu. »Sonst hat er mehr Schneid gezeigt als die meisten andern.«
Jetzt kam auch Zalas Sohn, vorsichtig auf dem Boden kriechend, mit blutenden Händen.
»Horali und Cabbar! Ihr setzt das Feuer fort!« befahl Durdu. »Damit wollen wir sie ablenken. Es gibt etwas zu bereden.«
Die kurze Feuerpause während des Sammelns hatte Sergeant Asim in seinen bösen Vorahnungen nur bestärkt. Er hatte nicht das erste Mal mit Durdu dem Tollen zu tun; man konnte nie wissen, was der gerade im Schilde führte. Es konnte unter allen Möglichkeiten die wahnwitzigste sein, aber auch die vernünftigste ... Wenn er sich hier auf der Lichtung auf den Kampf eingelassen hatte, war er entweder todessüchtig, sehr unerfahren, verrückt, abenteuerlustig, oder er hatte eine teuflische Falle ausgeklügelt. Einem solchen Kerl, der auch durch ein Nadelöhr noch seinen Weg fand, war alles zuzutrauen. Wie sollte man sich in dieser Lage verhalten? Der Sergeant wußte sich keinen Rat. Zog er ab, war sein Ansehen zum Teufel. Blieb er und geriet in eine Falle, würden sie ihn mitsamt seinen Männern niedermetzeln. Und was sollte das bedeuten, ihm die Mütze vom Kopf zu schießen und ihm mit einem haargenau gezielten Schuß die Hand zu ritzen? Eine Warnung? Der Schütze, dieser Memed, hätte ihn mehr als einmal erledigen können, wenn er nur gewollt hätte. Aber jetzt den Rückzug antreten, wo er Durdu den Tollen in der Zange hatte wie vorher noch nie? Nicht noch einmal würde sich der so in die Enge treiben lassen!
»Kameraden!« rief der Zugführer, »bleibt alle stehen, wo ihr jetzt seid. Wir müssen erst einmal abwarten, was der Tolle vorhat. Wir haben ihn ohnehin in der Zange. Er ist eingekesselt. Mit offenen Augen ist er hier hineingeschlüpft - sonst hätte er sich längst zwischen den Felsen verdrückt, zum Mordag hinüber.«
»Nein, diesen verrückten Zuhälter kenne ich«, sagte der Korporal. »Der ist nicht
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