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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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so einfach, Memed. Meinst du, ich hätte ihn sonst am Leben gelassen? Den Kerl triffst du einfach nicht. So einer ist mir noch nicht begegnet.«
»Der Mann ist mir ein Rätsel«, sagte Sergeant Recep. »Der kann tun, was er will, es bleibt ungestraft. Der hat Sachen gemacht, die hätte ein anderer nicht einen Tag überlebt. Gut, daß wir von ihm weg sind ... Aber alles, was recht ist, Schneid hat der Bursche! Als würde er jede Minute auf den Tod warten ... «
Ja der Mann hat irgend etwas an sich ... «, schloß Cabbar.
Ali schlug vor: »Laß uns hier zwei Stunden schlafen!«
Hasan antwortete: »Aber es ist doch nicht mehr weit, Ali! Bis Mittag sind wir in unserem Dorf. Du kannst bei uns übernachten und dich morgen früh wieder auf den Weg machen. Am Nachmittag schon bist du in deinem Dorf.«
Ali war ein großgewachsener, aber schmächtiger Mann, den schon der leiseste Windhauch umblasen konnte. Sein langes Gesicht war übersät von Pockennarben.
»So spät in der Nacht sehen wir nichts! Komm, laß uns hier bis zum Morgen schlafen. Bis dahin sind es nur noch ein oder zwei Stunden.«
»Nicht einmal eine Minute kann ich hierbleiben! Wo ich mein Haus vier Jahre nicht gesehen habe!«
»Ich auch nicht!« sagte Ali.
»Na und?«
»Ich bin hundemüde!«
»Schau!« sagte Hasan, »hier in der Nähe hört man ein Wasser rauschen. Geh hin und wasch dir das Gesicht ... «
»Das kalte Wasser vertreibt die Müdigkeit am besten«, erwiderte Ali.
»Gibt es überhaupt ein Wasser wie das in unserem Dorf?« fragte Hasan. »Es ist eiskalt und sprudelt klarer als Milch aus dem Boden hervor ... Früher stand mitten in der Quelle eine uralte Platane. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen. Eines Tages regnete es. Ein schwarzer, pechschwarzer Regen ... Auf einmal leuchtete ein grünes Licht am Himmel auf Es ergoß seine Strahlen voll über die Platane. Wir gingen hin und sahen, daß die Platane verschwunden war ... Sie war zu Asche geworden ... Gott ist mein Zeuge, ich habe es selbst gesehen. Sie war nur noch Asche. Heute weiß man nicht einmal mehr, wo sie stand.«
»Drei Jahre, drei lange Jahre ist es mir dreckig gegangen in der Çukurova«, sagte Ali, »aber endlich habe ich es geschafft, Bruder.« Auf dem Weg erzählte Ali vielleicht hundertmal mit immer den gleichen Sätzen, mit immer den gleichen Worten von der Çukurova, von dem Geld, das er dort verdiente, während es ihm dreckig ging, und davon, was er mit dem verdienten Geld vorhatte. Aber auch über all das gab es bald nichts mehr zu erzählen. Sie liefen eine Weile schweigsam nebeneinander her. Zu guter Letzt begannen sie wieder von vorne. Hasan erzählte wieder von seinem Dorf, seinem Kind, von der Platane, die zu Asche geworden war, von der Çukurova, von seinem Aga dort.
Ali setzte das Gespräch fort: »Zweihundert vom Geld werde ich dem Schwiegervater geben und mir seine Tochter ins Haus holen, vom Rest kaufe ich ein Paar Ochsen. Und für meine Mutter lasse ich eine mit Baumwolle besetzte Weste anfertigen. Die Arme friert. Und dann wird das Haus neu gedeckt. Wenn es regnet, sickert Wasser durch. Das gottlose Dach läßt den Regen herein ... «
»Bringe es nur in Ordnung! Es ist böse, wenn es hereinregnet, unerträglich!«
»Die Çukurova, das ist vorbei. Es ist aus. Man wird dort geröstet, in dieser Heimat der Gottlosen! Das mache ich nicht noch einmal mit. Ihre Malaria steckt mir jetzt noch im Bauch. Diesen Winter mußte ich einiges durchmachen!«
»Auch ich habe Malaria«, entgegnete Hasan.
»Das Elend in der Çukurova habe ich auf mich genommen, nur um mir eine Frau, ein Paar Ochsen und eine dicke Weste für meine Mutter kaufen zu können. Wie sonst könnte man es dort aushalten?«
»Man könnte es nicht!« Hasan hatte ihm das Wort aus dem Mund genommen und sprach weiter: »Bruder, wenn wir so weitermarschieren, kommen wir morgen mittag zu unseren Weidegründen.«
»Dort ... «, sagte Ali.
»Dort mitten auf der Ebene ... «
» ... steht ein großer ... «
» ... ein großer Baum mit schwer herabhängenden Zweigen.«
»Wenn du an diesem Baum vorbeigehst ... «, begann Ali.
»... siehst du auf der linken Seite ... «, fuhr Hasan fort.
»Steine übereinanderliegen.«
»Die gehören zu einem mit Gras bewachsenen Grab.«
Ali half Hasans Gedächtnis nach: »Du hast den Baum auf dem Grab vergessen!«
»Am Tag, als ich das Dorf verließ, hatte jemand mitten auf dem Grab einen Baum gepflanzt. Seine Zweige waren dünn, sein Stamm gerade so dick wie ein Handgelenk.«
»Der

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