Memed mein Falke
lange nichts zu vernehmen. Dann kam die Antwort. »Das ist gelogen! Wie kann Ince Memed hier sein, wenn wir erst gestern gehört haben, daß ihn Durdu der Tolle umgebracht hat?«
Man hörte nur das Rauschen des vom Mühlrad ablaufenden Wassers in der nächtlichen, von Mehlduft erfüllten Finsternis. Dann sprach Memed wieder. »Nein, Onkel Ismail, ich bin nicht tot. Hast du mich nicht an der Stimme erkannt?«
»Doch; ich komme. Ich mache schon auf.«
Geräuschvoll öffnete sich die Tür. Schwankender, orangefarbener Feuerschein traf die Gesichter der Eintretenden.
Ismail sah Memed lange in die Augen. »Nun, Ince Memed, du hast es immer noch nicht fertiggebracht, diesen gottlosen Hund zu erledigen und die Dorfleute von ihm zu befreien.« Memed lächelte.
Ismail, das schmale, spitz zulaufende Gesicht, den Bart und die abgetragene, fettige Kappe über und über mit Mehl bestäubt, musterte Hände und Füße der Ankömmlinge.
»Wo kommt ihr denn her?« fragte er besorgt.
»Wir sind mit Durdu aneinandergeraten«, lachte Memed, »und dann mußten wir zwei Tage lang in den Felsen umherklettern.«
»Gestern kam ein Reiter hier durch, um sich mit Durdu dem Tollen zu schlagen. Der hat gesagt, Durdu der Tolle habe dich getötet. Es ist allen im Dorf elend nahegegangen, Memed, kann ich dir sagen. Weißt du, sie haben dich hier alle sehr gern.«
Er klopfte Memed freundlich den Rücken, tätschelte ihm die Ohren. »Man traut ja seinen Augen nicht, Junge! Was trägst du da für ein Arsenal mit dir herum? Ich sehe dich noch in der Sarica-Ebene pflügen, mitten in den Graudisteln. jetzt stehst du vor mir, von unten bis oben behängt mit Patronengurten. Es kommt mir ganz unwirklich vor! Aber ihr werdet jetzt Hunger haben. Ich will euch etwas richten. Das Herdfeuer brennt schon ganz gut.«
Ismail der Ohrlose ging schon sehr gekrümmt. Er war nicht mehr so jung, wie Ince Memed ihn in der Erinnerung behalten hatte.
»Sag, wie geht es meiner Mutter und Hatçe? Ist Abdi zu Hause?« Die Frage hatte ängstlich geklungen. Der Müller rührte sich nicht von der Stelle, er gab keine Antwort. Er hatte damit gerechnet, daß Memed ihn fragen würde. Dennoch schaute er verlegen um sich, während er überlegte, was er sagen sollte.
»Was ist mit meiner Mutter?« wiederholte Memed.
»Ja, alles in Ordnung«, stotterte Ismail drauflos, »und mit diesem Gottlosen, ja, das muß ich dir genau erzählen ... Aber wart erst, fast hätte ich's vergessen, ich wollte euch ja Salzwasser bringen für eure Hände und Füße ... « Er eilte hinaus. Memed blieb in wachsender Unruhe zurück. Es gefiel ihm nicht, daß Ismail seine Frage so rasch übergangen hatte.
Der Müller kam mit einer Schüssel voll Wasser wieder. »So, Salzwasser ist das beste für eure Hände und Füße. Sonst machen sie böse Schmerzen, die Kratzer von den Felsen.«
»Hast du sie neulich mal gesehen, meine Mutter?« fragte Memed unruhig.
»Ja, ja, ich sage ja, es ist alles gut, mein Lieber ... Also mit dem gottlosen Hund, hört zu: Als er gehört hatte, daß du zu den Banditen gegangen warst, da wurde es ihm ganz schön heiß unter dem Hintern. Er ließ bis zu zehn Mann vor seinem Haus Wache halten, dann auf einmal war er verschwunden. Sein Gesicht hättest du mal sehen müssen! Was die Angst alles aus einem Menschen machen kann! Jetzt ist er sicher wieder zurück. Es heißt, seine Leute hätten ein großes Fest veranstaltet, um deinen Tod zu feiern.«
Memed hielt es nicht länger aus. Er brannte darauf, ins Dorf zu kommen. »Auf, Freunde! Wir müssen dort sein, bevor es Morgen wird.« Ohne ein Wort standen die beiden auf. Sie wußten, wie es in Memed wühlte.
»Wollt ihr nicht noch einen Augenblick bleiben?« fragte Ismail betrübt. »Euer Essen steht noch auf dem Herd.«
Memed und seine Gefährten verließen die Mühle.
»Das Salzwasser tut euch gut!« rief der Müller hinter ihnen her, »laßt euch später noch einmal sehen!«
Nach wenigen Schritten befanden sie sich wieder inmitten von Graudisteln.
Feucht glitzerten die Sterne am Himmel. Recep blieb stehen und wandte sich nach Osten. »Mein Komet, der Stern mit dem großen Schweif, ist noch nicht zu sehen«, sagte er. »Also haben wir noch eine Menge Zeit bis zum Morgen.«
Die anderen schwiegen. Die Schmerzen an ihren Händen und Füßen hatten wirklich nachgelassen. Ein Fuchs sprang vor ihnen auf, der buschige Schwanz fegte über die Disteln. Recep hätte ihm nur zu gern eins aufgebrannt; aber sie waren zu nahe bei dem Dorf.
Als sie das
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