Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
Vater dazu fähig ist, kann er auch sich selbst heilen. Oder?« Er blickt in die Runde. »Er kann ewig leben!«
Pressia schüttelt den Kopf. »Nein.« Sie legt die Hand des Mädchens flach auf ihre eigene Hand. Das Mädchen zittert – erste Anzeichen einer Lähmung, wie bei Partridges Vater. »Sie ist jung. Weißt du noch, warum unsere Mutter dich nur gegen eine Form der Codierung impfen konnte? Und warum sie mich gar nicht behandeln konnte? Ich bin nur eineinhalb Jahre jünger …«
Partridge nickt. Die Behandlung wäre zu gefährlich gewesen – aber das will er vor dem Mädchen nicht aussprechen. Sie hat schon genug Angst.
»Im Kapitol verabreichen sie den Jungs erst ab dem siebzehnten Lebensjahr die ersten Verbesserungen«, erklärt Lyda. »Den Mädchen teils noch später.«
Partridge nickt. »Schnelle Zelldegeneration.« Je früher man mit den Codierungen beginnt, desto schlimmer die Nebenwirkungen. Sein Vater hat sehr früh angefangen – als Teenager – und jahrzehntelang starke Hirnkapazitätssteigerungen durchgeführt. Wie alt ist das Mädchen? Vielleicht neun? Sie zittert bereits. Wie lang wird sie noch durchhalten? Monate, Wochen, Tage? »Wie konnte er das nur tun?« Lodernde Wut steigt in ihm auf.
»Er weiß noch nicht, wie man die Nebenwirkungen behebt«, sagt El Capitán.
»Aber sollte er es herausfinden«, ergänzt Pressia, »könnte er sich retten und …« Ihre Augen huschen zu Bradwell. Sie muss den Satz nicht beenden. Partridge hat verstanden: Er könnte sie alle von ihren Verschmelzungen befreien, alle zu Reinen machen. Ohne Nebenwirkungen.
»Bisher wissen wir nur, dass Wilda eine Botin ist«, fasst Bradwell zusammen. »Eine Botin, die wir nicht übersehen konnten.«
»Und wie lautet die Botschaft?«, fragt Lyda.
Das Mädchen vergräbt den Kopf in Pressias Armbeuge. »Schon gut. Du musst es nicht sagen.«
El Capitán sagt es für sie. »Wir wollen unseren Sohn zurück. Dieses Mädchen ist der lebende Beweis, dass wir euch alle retten können. Solltet ihr unserer Bitte nicht nachkommen, werden wir die Geiseln umbringen. Eine nach der anderen, bis zum bitteren Ende.« Zum Schluss zeichnet er sich ein Keltenkreuz auf die Brust.
»Was für Geiseln?«, will Lyda wissen.
Bradwell seufzt. »Sie haben Roboterspinnen in die Stadt geschickt, die sich an den Körpern der Menschen festgesetzt haben. Dadurch machen sie die Leute zu Geiseln. Wenn wir Partridge nicht ausliefern, jagen sie weiter eine Spinne nach der anderen in die Luft. Und damit die Menschen.«
Partridge starrt Pressia an. »Sie haben schon damit angefangen?«
Pressia nickt.
Das stimmt hier also nicht. Partridge fühlt sich benommen, während Lyda leise ächzt. Weint sie? Er kann sie nicht mal ansehen. Wäre er nicht gewesen, würde sie noch immer ein friedliches Leben im Kapitol führen. Sie würde weihnachtliche Topflappen nähen.
»Sie haben die ganze Stadt befallen«, erzählt El Capitán. »Wir haben gesehen, wie eine explodiert ist. Der Junge ist in die Luft gegangen und war weg – einfach weg.« Er zuckt zusammen. Die Erinnerung tut weh. »Ein anderer Junge wurde tot im Wald gefunden.«
»Weg!«, ruft Helmud.
»Aber die Kapitol-Verehrer sind ganz verrückt nach dem Mädchen«, sagt Bradwell. »Sie halten sie für eine Heilige.«
Lyda mustert Wilda genauer. »Sie sieht wirklich aus wie eine Reine.«
»Können wir uns nicht mal ein anderes Wort dafür ausdenken?«, murmelt Bradwell.
Pressia wirft ihm einen ärgerlichen Blick zu.
»Sie bieten uns Erlösung und Verdammnis an – auf einen Streich. Einen bösen Streich.« El Capitán stützt die Ellenbogen auf die Knie. Er ist blass. Eine glänzende Kruste aus Schweiß und Asche überzieht seine und Helmuds Haut.
Partridge geht vor dem Mädchen in die Hocke. »Haben sie dich in einen großen Gips gesteckt? Haben sie Medizin in deinen Körper geleitet, durch dünne Schläuche?«
Das Mädchen nickt und malt sich das Kreuz und den Kreis auf die Brust.
»Und ist alles genau so gelaufen, wie sie wollten?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Was ist schiefgegangen?«
Wilda blickt zu Pressia auf, nimmt ihre Hand, legt sie sich auf den Bauch und schiebt sie vor und zurück. Instinktiv zieht Pressia die Hand zurück. »Die Heilung ist zu weit gegangen.« Sie sieht Partridge an. »Sie hat keinen Nabel mehr.«
Ein Frösteln schießt durch Partridges Rückgrat. Für einen Moment wird es still im U-Bahn-Waggon. Wilda klammert sich an Pressia, Pressia drückt sie an
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