Memento - Die Überlebenden (German Edition)
ein. Bildschirme leuchten auf. Funkgeräte knacken. »Wir waren von den Besten und Klügsten angeworben worden. Zweiundzwanzig aus der Gruppe wurden für ein Ende-der-Welt-Szenario ausgewählt. Wir waren noch halbe Kinder, keine zwanzig Jahre alt. Aus dieser Gruppe wiederum wählte dein Vater eine Art innere Gruppe aus. Er dachte, wir bräuchten einen inneren Kreis. Er war brillant und verloren. Sein Verstand arbeitete mit rasender Geschwindigkeit, schon vor der Verbesserung. Ich habe erst im Nachhinein begriffen, dass er von Anfang an verrückt war.« Sie betrachtet Pressias Anhänger. »Dein Vater, Emi, hat mir diesen Anhänger gegeben«, sagt sie. »Ich kannte die Inschrift. Der Schwan war von Anfang an ein wichtiges Symbol für uns sieben. Doch dann tötete die Operation Phoenix den Schwan und verwandelte das Symbol in einen Vogel, der aus der Asche auferstehen kann. Es war Ellery Willux’ Idee. Hideki wollte, dass ich der Schwan bin, der zum Phoenix wird und alles überlebt, wovon wir wussten, dass es kommen würde. Er nannte mich seinen Phoenix.« Sie schließt die Augen, und Tränen rollen über ihre Wangen. »Es fing alles so gut gemeint an. Wir wollten die Welt retten, nicht sie vernichten.«
»Warum bist du überhaupt nach Japan gegangen?«, fragt Pressia.
»Imanaka, dein Vater, hat großartige Arbeit geleistet. Die Japaner haben eine sehr geheime Geschichte, was die Bomben und Strahlung angeht. Sie waren allen anderen weit voraus, was Widerstandsfähigkeit und Abwehr angeht. Seine Forschungsergebnisse und mein Fachgebiet, Traumaheilung durch biomedizinische Nanotechnologie, fügten sich nahtlos ineinander, und Ellery, Partridges Vater, wollte, dass ich nach Japan gehe und herausfinde, ob Imanaka Fortschritte machte. Er hatte Angst, eines Tages zu verfallen. Imanakas Informationen waren für ihn wichtiger als alles andere. Ich nehme an, dass sich daran nichts geändert hat, ganz im Gegenteil. Er braucht die Informationen dringender als je zuvor.«
Sie sieht Pressia an, wohl wissend, dass sie verwanzt ist. »Es gibt noch mehr Überlebende hier draußen. Wenn Ghosh und Kelley und Imanaka leben, dann leben auch andere. Ellery will sicher verhindern, dass diese Nachricht im Kapitol zirkuliert, aber ich weiß, dass es so ist. Ich konnte bisher mit niemandem Kontakt aufnehmen, der weiter als hundert Meilen entfernt ist, weder über Radio, Satellit oder was auch immer. Nichts funktioniert. Das Kapitol blockiert alles. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf.« Pressia denkt an die Heilige Wi und Bradwell, der in der Krypta vor der Statue kniet und betet. Hoffnung.
»Du hast die Resistenz in den Griff bekommen, oder?«, fragt Partridge. »Du hast mich irgendwie resistent gegen die Codierungen gemacht.«
»Ja, aber es ging nicht schnell genug. Wir konnten nichts tun, um die Bomben zu verhindern – nur Abwehr und Reparatur. Wir wussten, dass es nicht viele Leben retten würde. Dass unzählige Menschen sterben würden – aber wir konnten den Überlebenden die Verschmelzungen und die Vergiftungen ersparen. Wir wollten die entscheidenden Substanzen ursprünglich in die Trinkwasserversorgung einspeisen, doch das war zu riskant. Die Dosierungen, die für einen Erwachsenen erforderlich waren, konnten ein Kind töten. Das ist der Grund, warum ich mich mit dir begnügen musste, Partridge. Ich konnte dich nicht ganz resistent machen. Du warst damals erst acht Jahre alt und nicht robust genug für eine vollständige Behandlung.«
»Du hast mich gegen Verhaltenscodierung resistent gemacht.«
»Ich wollte, dass du du selbst bleibst. Ich wollte, dass du das Recht behältst, Nein zu sagen und für das einzustehen, was du für richtig hältst. Ich wollte, dass dein Charakter unversehrt bleibt.«
»Und ich?«, fragt Pressia.
Ihre Mutter schöpft zitternd Atem. »Du warst anderthalb Jahre jünger und klein für dein Alter. Es war zu riskant, dich zu behandeln. Du bist in Japan geblieben, bei deinem Vater und seiner Schwester. Ich konnte nicht mit einem Baby nach Hause zurückkehren. Ich wäre sofort in ein Therapiezentrum gesteckt worden und dort gestorben.
Ich fand heraus, was mein Ehemann vorhatte – die vollständige Vernichtung – und als ich erfuhr, dass er kurz vor seinem Ziel stand, ließ ich dich kommen. Ich musste es meinem Mann sagen – ich hatte keine andere Wahl. Er war wütend, aber das war noch nicht alles. Ich kann das jetzt nicht alles erklären. Es sind Dinge, die in der Vergangenheit liegen.
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