Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Dunkle Machenschaften, von denen ich wusste, dass sie wahr sind, von denen er nicht wollte, dass ich sie weiß. Ich konnte nicht im Kapitol leben. Ich hatte einen Plan, wie ich ihm die Jungen wegnehmen konnte. Ich sah, dass er sich schnell weiterbewegte mit seinem fiebrigen Gehirn, und ich wusste, dass er überstürzte Entscheidungen traf. Er verfügte über unglaubliche Machtfülle und war niemandem Rechenschaft schuldig. Ich musste außerdem meine Tochter hier bei mir haben, im Bunker und in Sicherheit. Es gab Verzögerungen, Probleme mit den Ausweisen. Deine Tante sollte dich mit dem Flugzeug bringen. Das Bombardement lag mutmaßlich noch Wochen in der Zukunft. Doch dann rief mich dein Vater an, Partridge. Er sagte, dass der Tag gekommen wäre. Es war alles schneller gegangen als erwartet. Er wollte, dass ich ins Kapitol gehe. Er bettelte mich förmlich an.
Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Es gab bereits merkwürdige Verkehrsbewegungen. Leute, die einen Tipp bekommen hatten, hatten sich auf den Weg ins Kapitol gemacht. Endlich war auch das Flugzeug mit meiner Tochter Emi unterwegs. Ich sagte Nein zu Ellery. Ich sagte ihm, er solle den Jungs sagen, dass ich sie liebe. Er sollte es ihnen jeden Tag sagen, sollte es mir versprechen. Er legte auf. Ich fuhr zum Flughafen, so schnell ich konnte, voller Panik. Ich erhielt einen Anruf von deiner Tante, Emi, sobald das Flugzeug gelandet war. Ich dachte immer noch, wir könnten es bis zurück in den Bunker schaffen, bevor die Bomben hochgehen. Ich parkte den Wagen und rannte zur Gepäckausgabe. Ich habe dich gesehen, Emi, neben deiner Tante, durch die Scheibe hindurch. Du warst so klein und so vollkommen – mein Mädchen! Ich rutschte aus und fiel hin, landete der Länge nach auf dem Boden. Als ich aufblickte, gab es einen grellen Lichtblitz, und das Glas der Scheibe zersprang. Ich war mit den Fliesen verschmolzen – an Armen und Beinen. Einige meiner Leute wussten, wo ich hinwollte. Sie spürten mich auf. Sie legten mir vier Abschnürbinden an, und dann benutzten sie die Säge. Ich war gerettet, und entgegen allen Erwartungen überlebte ich.«
»Wusstest du, dass ich auch noch lebte?«, fragt Pressia.
»Du hattest einen Chip. Jeder Ausländer, der dieses Land besuchte, musste sich vorher einen Chip implantieren lassen.
Unsere Ausrüstung nach den Bombardierungen war dürftig. Wir konnten die Bewegungen der Chips auf den Schirmen verfolgen, allerdings nur lückenhaft. Als wir deinen Chip fanden, benutzte ich die Informationen deines Retina-Scans – Daten, die dein Vater mir aus Japan geschickt hatte. Er befand sich in einem der strahlengesicherten Computer und überstand die Bomben mit geringen Problemen. Ich hatte auch Scans von den Jungs. Ich konstruierte kleine geflügelte Boten – unsere Zikaden. Ich sandte sie aus zu deinen Koordinaten. Sie trugen ebenfalls Chips. Die meisten wurden zerstört, bevor sie ihr Ziel erreichten. Ein einziger kam durch.«
»Ich hatte einen Chip«, sagt Pressia. »Du wusstest die ganze Zeit über, wo ich war. Du hättest jemanden schicken können, der mich holt und zu dir bringt!«
»Die Zustände hier im Bunker waren grauenhaft, Emi. Die Enge, Krankheiten, Feindseligkeiten untereinander. Wie hätte ich mich um dich kümmern sollen, in meinem Zustand? Ich hätte dich nicht einmal halten können!« Sie hebt ihre Prothesenarme und deutet auf einen Computerbildschirm. Es ist eine Karte, die Pressia wiedererkennt – der Markt, Trümmerfelder, der Friseurladen von Pressias Großvater. »Der Chip war ein ständiger Blip auf dem Schirm, die Zikade war bei dir, ständig in deiner Nähe. Oft waren eure Blips so nah beieinander, dass es keine andere Erklärung gab – du hast sie in der Hand gehalten. Und dein Chip begann eine Geschichte zu erzählen. Nachts war er ruhig, immer an der gleichen Stelle, zur gleichen Zeit. Dann wurde er wach und aktiv, auch das immer zur gleichen Zeit. Er streifte umher und kehrte schließlich zurück zur alten Stelle – seinem Zuhause. Es war die Geschichte eines Kindes, das umsorgt wurde. Eines Kindes mit einem geregelten Tagesablauf. Eines gesunden Kindes, das besser dran war, wo es war, als hier im Bunker. Dir ging es gut, oder nicht? Jemand hat sich um dich gekümmert, jemand, der dich liebte?«
Pressia nickt. »Ja«, sagt sie, und Tränen rinnen über ihre Wangen. »Jemand hat sich um mich gekümmert. Großvater. Er hat mich geliebt.«
»Und vor ein paar Tagen wanderte dein Chip
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