Memento - Die Überlebenden (German Edition)
neben El Capitán auf dem Boden gelegen hat, richtet es senkrecht nach oben und feuert. Die Ladung reißt ein Loch in das Metall, und der Schuss streift das Bein des Soldaten. Er fällt aufs Dach, doch er klammert sich fest.
El Capitán versucht ihn durch wilde Lenkmanöver abzuschütteln, aber es klappt nicht. Der Soldat taucht vor dem hinteren Seitenfenster auf und tritt die Scheibe mit dem unverletzten Bein ein. Glassplitter regnen ins Innere. Er greift in den Wagen und packt Partridge an der Kehle, doch Partridge hat einen Fleischerhaken und seine eigene übermenschliche Reaktion. Er holt blitzschnell aus und treibt den Haken in den Rücken des Soldaten, zwischen die Schulterblätter.
Der Soldat gibt ein dumpfes Stöhnen von sich. Sein Griff erschlafft, und Partridge fällt in seinen Sitz zurück. Der Soldat klammert sich weiter an den Wagen. Mit der freien Hand versucht er den Haken auf seinem Rücken zu erreichen. Bradwell lässt sein Fenster runter, klettert halb aus dem Wagen, spannt die Waffe erneut, doch bevor er Zeit hat zu feuern, sieht ihn der Soldat, wirft sich ihm entgegen, zerrt ihn aus dem Wagen. Sie landen draußen im Dreck und überschlagen sich mehrmals.
Pressia ist dem Wahnsinn nah. Nicht Bradwell – nicht noch jemand. Das würde sie nicht ertragen. Sie will aus dem Wagen, zerrt am Türöffner – verriegelt. »Mach auf!«, schreit sie.
»Nein!«, widerspricht El Capitán. »Du kannst ihm nicht helfen. Es ist zu gefährlich.«
Sie hämmert mit dem Puppenkopf gegen die Tür. »Lass mich raus!«
Partridge greift über den Sitz, packt sie bei den Armen und zieht sie zurück. »Pressia! Nicht!«
»Nimm das Gewehr!«, ruft Lyda.
Pressia packt das Gewehr und hängt sich mit dem Oberkörper aus dem Fenster.
El Capitán lenkt den Wagen herum, um ihr ein besseres Schussfeld zu bieten. »Halt dich bereit, sobald sie sich trennen. Du hast vielleicht nur diese eine Chance.«
Der Soldat versucht sich aufzurappeln, doch sein Bein hat keine Muskeln mehr. Er windet sich vor Schmerz wegen des immer noch in seinem Rücken festsitzenden Hakens. Er hat Bradwell bei der Kehle, doch Bradwell tritt ihm gegen die Beinwunde, stößt ihm den Ellbogen in den Unterleib und reißt sich endlich von ihm los.
Angezogen vom Blut des Soldaten umkreist ein Dust die beiden wie ein Geier, allerdings nicht in der Luft, sondern unterirdisch. Aschewölkchen steigen auf, erschweren die Sicht. Bradwell versetzt dem Soldaten einen Tritt in den Magen, doch der Soldat packt Bradwell und wirft ihn nieder. Bradwell landet hart, direkt vor einem lauernden Dust. Er weicht hastig zurück. Der Soldat hält inne und scheint kurz sein verwundetes Bein in Augenschein zu nehmen.
Bradwell packt den Fleischerhaken und reißt ihn aus dem Rücken des Soldaten. Mit dem Haken in der Hand fällt er zurück und landet hart.
Pressia atmet ein, stößt die Hälfte der Luft wieder aus, zielt und schießt.
Der Soldat wird herumgerissen und sackt zusammen.
Bradwell springt auf, und mit einer einzigen schnellen Bewegung – die Vögel auf seinem Rücken sind ein hektisches verschwommenes Flügelflattern – zerschneidet er den Dust in zwei Teile. Er ist wunderschön, denkt Pressia. Die verwundeten Schultern, als wäre er gewaltsam zum Ritter geschlagen worden, sein markanter Kiefer, die blitzenden Augen.
El Capitán lenkt den Wagen zu Bradwell, entriegelt die Tür, doch Pressia hat sich schon durchs Fenster geschoben. Sie packt Bradwell und hilft ihm zum Wagen. Sie öffnet die Tür. Beide gleiten hinein. Sie zieht die Tür hinter sich zu, dann sieht sie Bradwell an. Sie hebt die Hand und berührt einen Schnitt an seiner Unterlippe. »Stirb nicht«, sagt sie. »Versprich mir das.«
El Capitán legt den Gang ein und gibt Gas.
»Ich verspreche, dass ich mir Mühe gebe«, sagt Bradwell.
Sie schaut durch die Heckscheibe nach hinten. Mehr Dusts sind dazugekommen und umzingeln den Soldaten. Einer erhebt sich und bläht sich auf wie eine Kobra. Innerhalb weniger Sekunden ist der Soldat verschwunden, von der Erde verschlungen.
Bradwell streicht mit der Hand über Pressias Haar. Sie schlingt die Arme um ihn und lauscht mit geschlossenen Augen dem Hämmern seines Herzschlags. Sie stellt sich vor, für immer so zu bleiben, und alles andere einfach versinken zu lassen.
Bald darauf sagt Bradwell: »Wir sind da«, und sie hebt den Kopf. Sie biegen um eine Ecke, und vor ihnen liegen Felder mit Getreide und die lange Zufahrt zur Veranda des gelben
Weitere Kostenlose Bücher