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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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jetzt nicht darüber reden, das sieht er ihr an. Was sie zu sagen hat ist wichtig. »Sie hat mir aufgetragen, dir zu sagen, dass es viele wie sie gibt, die das Kapitol stürzen wollen. Das ist alles, was sie sagen konnte. Verstehst du das?«
    »Schläfer«, murmelt Partridge. Lyda steckt tief in der Geschichte drin. Sie ist nicht nur eine Geisel. Sie ist eine Botin. Ob ihr eigentlich klar ist, dass sie jetzt für die Seite seiner Mutter arbeitet? Er will ihr erzählen, dass seine Mutter gesagt hat, er wäre der Anführer, doch das kann er nicht. Er ist zu durcheinander. »Ja«, stößt er hervor. »Ja, ich verstehe.«
    Sie biegen um die letzte Kurve, und El Capitán lenkt den Wagen hinter eine Gruppe niedriger, buschiger Obstbäume, die so dicht gepflanzt sind, dass ihre Äste einander umranken. Und dort ist es – ein gelbes Farmhaus, genau wie Pressia es beschrieben hat, zusammen mit den dunklen, üppigen Reihen von Vegetation in einem Tal, eine grüne Insel inmitten eines sich in sämtliche Richtungen erstreckenden Meeres aus Asche und Staub. Es gibt eine rote Scheune mit weißen Verzierungen und mehrere Gewächshäuser. Das alles erweckt den Eindruck, als stamme es aus einer anderen Zeit, von einem anderen Ort. Fremdartig. Auf den Feldern sind keine Arbeiter zu sehen, keine OSR-Soldaten, doch am Farmhaus stehen zwei Leitern mit Eimern an den Sprossen, und zwei lange Stangen liegen auf dem Boden. »Hat jemand das Haus geschrubbt?«, fragt Partridge.
    »Dieses Tuch im Fenster, das aussieht wie eine kleine Fahne«, sagt Lyda. »Das habe ich schon mal irgendwo gesehen.«
    »Es ist das Zeichen des Widerstands«, sagt Bradwell. »Meine Eltern hatten eine echte Flagge, die genauso aussah. Sie lag zusammengefaltet in einer Schublade. Es ist ein ganz altes Symbol.«
    »Ingerships Frau«, sagt Pressia. »Ich glaube, sie ist in Schwierigkeiten.«
    »Wie kommt dieses Haus hierher?«, flüstert Partridge.
    »Es sieht aus wie ein Haus aus einer Zeitschrift«, sagt Pressia. »Aber krank, von innen befallen.«
    »Mit Sicherheit jedenfalls kein altmodisches arabisches Beduinenzelt«, sagt El Capitán.
    »Bradwell braucht deine Jacke«, sagt Pressia zu Partridge. Die Hitze der Schlacht ist vergangen, und Bradwell hat angefangen zu zittern. Partridge sieht seine Schultern zucken. Er zieht seine Jacke aus, die ohnehin Bradwell gehört, und reicht sie ihm. Bradwell zieht sie an. »Danke«, sagt er, doch seine Stimme klingt beinahe hohl. Oder ist Partridges Hörvermögen beeinträchtigt? Er kann sich auf nichts mehr verlassen – nicht auf das, was er sieht oder hört, nicht auf Häuser, die aus dem Nichts auftauchen, nicht auf blutigen Nebel oder die Augen seiner Schwester.
    »Wir könnten Ingership die Medikamente geben im Austausch dafür, dass er all dieses Zeug aus deinem Kopf holt«, sagt Partridge. Er ist der Einzige, der die Wahrheit kennt – die Medikamente sind ein Täuschungsmanöver, ein Köder, mit dem Zweck, ihnen Zeit zu verschaffen.
    »Was ist mit Ingerships Frau?«, fragt Pressia. »Können wir ihr helfen?«
    »War es nicht sie, die dich betäubt hat?«, fragt Bradwell.
    »Ich weiß es nicht«, sagt Pressia.
    Fette Vögel, die entfernt aussehen wie Hühner, watscheln über den Weg. Sie sehen grotesk aus mit ihren zweigeteilten Hufen am Ende der kurzen Beine. Sie haben keine Federn, stattdessen sind sie mit einer Art Schuppen bedeckt, als wäre die Haut, die normalerweise an den Beinen wächst, über den gesamten Körper gewuchert. Ihre Flügel sind knochige Gebilde, die in unmöglichen Winkeln an den Seiten abstehen.
    »So was hast du aber nicht in den Zeitschriften gesehen«, sagt Bradwell.
    Partridge denkt an seinen Vater, krank im Kopf wie das Innere dieses Hauses. »Wenn wir zum Haus gehen, hältst du die Flasche mit den Pillen dicht an deinen Kopf«, sagt er zu Pressia.
    »Nein«, sagt Bradwell und legt Partridge die Hand abwehrend auf die Brust. »Das ist zu viel.«
    »Was?«, entgegnet Partridge. »So funktioniert er. Er würde ihren Kopf explodieren lassen, aber nicht die Pillen.« Sein Vater ist ein kaltblütiger Mörder. Partridge schließt für einen Moment die Augen, wie um seine Sicht zu klären. Doch er weiß, dass sein Vater keinen Knopf gedrückt hat, ohne sich vorher zu überzeugen, dass die Pillen in Partridges Faust waren, weit genug weg. »Es ist zu ihrem eigenen Schutz.«
    »Er hat recht«, sagt Pressia zu Bradwell.
    Partridge stellt sich vor, wie sein Vater ihn beobachtet, wie er jedes Wort

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