Memiana 1 - Ewige Wacht: 1 Xeno 1.2 (German Edition)
Botenkron.
„Hast du gewusst, dass dich die beiden verfolgen?“, frage Jarek nach einer Weile.
Yala schüttelte den Kopf. „Sie sind mir nicht gefolgt. Sie bereisen die Gegend hier und beliefern die Läden. Jemand muss ihnen eine Memobotschaft geschickt haben ...“
„Jemand! Du meinst deinen Vater?“
Yala nickte.
„Hattest du ihm nicht gesagt, dass du mit Hama gehst?“ Jarek konnte sich so etwas nicht vorstellen. In einem Clan wurde immer alles besprochen, jeder wusste Bescheid, was der andere tat oder plante. Zumindest kannte Jarek es nicht anders.
Yala lachte bitter. „Damit er mich einsperrt? Nein. Ich bin mit Hama gegangen, ohne noch einmal zurückzuschauen. Ohne Gepäck, nur mit dem, was ich an Münzen in der Tasche und an Kleidern auf dem Leib hatte. Was glaubst du, warum ich nur diesen dünnen Stadtmantel hatte? Mein Vater hätte mich niemals gehen lassen. Der hatte ganz andere Pläne.“ Mit einer wütenden Bewegung warf sie den dicken Zopf nach hinten.
„Was für Pläne?“
Sie schwieg.
„Du musst es nicht erzählen, wenn es ein Geheimnis ist. Wenn du kein Vertrauen zu mir hast.“
Yala atmete einmal tief ein, dann sah sie ihn mit einem weichen Blick an und ihr Griff um seine Hand wurde fester. „Vaka sind Händler, Jarek. Handel ist unser Leben. Alles dreht sich um Lieferungen, gute und schlechte Ware, neue Produkte, günstige Bedingungen, Lagerhaltung und Kontrakte. Und in einem Vakaclan ist eine schöne junge Frau auch nichts anderes als Handelsware.“
„Soll das heißen, dein Vater wollte dich verkaufen?“ Jarek war entsetzt.
Yala zuckte die Achseln. „Mein Clan, die Mito, verkauft Kaas. Am meisten kannst du als Vaka mit Paasaqua verdienen, aber wir konnten nie einen Kontrakt mit einem der Hersteller abschließen. Der Clan der Dalaa gehört zu den größten Lieferanten von berauschenden Getränken auf Memiana. Ich sollte den ältesten Sohn der Dalaa zum Mann nehmen. Einen dummen, fetten, aufgeblasenen, eingebildeten Widerling.“
Jarek war an der Herberge vorbei gegangen und Yala hatte nicht widersprochen. Sie folgten nun dem Weg bergan zu der großen Cave, deren zerrissene Felsen finstere Schatten warfen. „Was hättest du getan, wenn Hama dich nicht gefragt hätte?“
Yala zitterte einen Moment. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie leise. „Vielleicht hätte ich mich von der Mauer gestürzt.“
Die schmale Straße war zu Ende. Stufen führten zur Cave hinauf und am Rand der Treppe waren Ferarohre zu sehen, durch die das Wasser in die Herbergen, Schänken und Wohnbauten lief. In der Cave selbst war es inzwischen so finster wie in einer Höhle. Jarek setzte sich auf eine der Stufen und Yala ließ sich neben ihm nieder. Er spürte die Wärme ihres Körpers sogar durch den Stoff ihrer beiden Mäntel.
„Weiß Hama, dass du gegangen bist, ohne deinem Vater etwas zu sagen?“, fragte er.
Yala zuckte wieder die Achseln. „Keine Ahnung. Hama fragt ja nie etwas. Aber ich habe den Eindruck, dass er trotzdem immer alles weiß.“
„Und was ist mit Adolo und Carb?“
Sie schüttelte heftig den Kopf. „Die haben keine Ahnung. Versprichst du mir, dass du ihnen nichts davon erzählst?“
„Wenn du das willst. Aber vielleicht wäre es doch besser, sie wüssten von der Gefahr. Was passiert, wenn deine Verwandten noch einmal versuchen, dich zurückzuholen?“
„Das werden sie nicht. Unser Clan ist bekannt dafür, dass wir uns sofort verstecken, wenn es gefährlich wird. Du hast ihnen Angst gemacht. Richtig Angst.“ Sie schob ihren Arm unter Jareks und legte den Kopf auf seine Schulter. „Alle Mito sind Feiglinge“, murmelte sie. „Und ich bin der größte von ihnen.“
Jarek schmiegte die Wange gegen ihr weiches Haar. „Niemand ist feige. Manche Menschen sind nur anders mutig.“
Sie lachte. „Kommt das von dir?“
„Von Ili. Meiner Schwester.“
„Sie schnitzt nicht nur wunderbare Figuren. Sie ist auch noch klug.“
„Ja, so klein, wie sie ist.“
„Vermisst du sie?“
„Ich hatte mir Sorgen um sie gemacht. Aber jetzt weiß ich, dass es ihr gut gehen wird“, antwortete er. Yala schwieg und Jarek hörte eine Weile nur ihren ruhigen Atem.
„Darf ich dich etwas fragen?“
„Hm?“
„Mir hast du erzählt, was dein Clan mit dir geplant hat. Warum dürfen Adolo und Carb das nicht erfahren?“
„Weil es Dinge gibt, die so schmerzhaft sind, dass man sie keinem Gefährten erzählt“, antwortete Yala leise. „Nur einem Freund.“
Jarek und Yala
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