Memiana 1 - Ewige Wacht: 1 Xeno 1.2 (German Edition)
zurechtzufinden, aber manchmal dauert das seine Zeit.“
„Ja, klar“, murmelte Mareibe. „Zwei Augenblicke statt einem. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so schnell sieht, was los ist. Und der sich so gut beherrschen kann wie du.“
Jarek spürte, dass Mareibe Ilis Band um das untere Ende des Zopfes wand.
„Ist das schlecht in deinen Augen? Wenn man sich unter Kontrolle hat?“, fragte er.
„Kommt drauf an“, antwortete Mareibe ausweichend. „Fertig.“
„Danke. Das letzte Mal, dass mir jemand den Zopf geflochten hat, war vor drei Umläufen. Und das war meine Mutter.“ Jarek tastete nach seinen Haaren, fühlte das dicke, sorgfältige Flechtwerk und erstarrte.
„Was ist?“, fragte Mareibe. „Habe ich was falsch gemacht?“ Sie löste sich von Jarek, kniete sich neben ihn und sah ihn besorgt an.
„Neun Stränge tragen nur die Clanführer“, erklärte Jarek. „Das konntest du aber nicht wissen“, fügte er eilig hinzu.
Mareibe beugte sich zu ihm hin und flüsterte ihm ins Ohr: „Du bist vielleicht kein Clanführer. Aber du bist ein Anführer. Und jetzt wirst du gerade nervös. Und hast dich gar nicht unter Kontrolle!“
Ein Räuspern vom Eingang her ließ Jarek aufschauen. Yala und Carb standen in der geöffneten Tür. Yalas Blick huschte über das zerwühlte Tuch auf der Mahldecke. Carb dagegen zog die Augenbrauen zusammen und er schaute auf Mareibes nackte Beine und Füße, die unter dem hochgeschobenen Kleid zu sehen waren.
„Wir wollten nicht stören“, sagte Yala kühl.
Die beiden waren ebenfalls neu eingekleidet. Yala trug ein schräg gestreiftes, gerade fallendes Kleid ohne Ärmel, das ihre weiblichen Rundungen betonte, und fein geschnürte Sandalen aus Foogschwanzhaar mit Fooghornsohlen, während Carb eine schwarze Hose und eine salafarbene Weste hatte, die seine gewaltigen Muskeln zur Schau stellte. Seine Stiefel waren mit Kappen aus Fera verstärkt und am Schaft mit Schnallen aus demselben Metall verziert.
„Ihr stört nicht. Kommt doch rein. Habt ihr gut geschlafen?“, fragte Jarek die beiden Gefährten.
„Einigermaßen“, antwortete Yala langsam und näherte sich mit vorsichtigen Schritten, als seien die glatten Spatsteinplatten heiß und nicht kühl. Dabei ließ sie Mareibe nicht aus den Augen.
Die kleine Solo steckte ihren Kämmer ein und grinste Carb an, der mit verschränkten Armen neben dem Eingang stehengeblieben war. „Carb müssen wir ja nicht fragen. Dashat ganz Utteno gehört.“ Mareibe schenkte Carb ein freundliches Lächeln, aber der schaute Jarek immer noch mit verschlossenem Gesicht an und sah dann erst zu Mareibe hin.
„Ich bin schon länger auf als du. Ich hatte etwas zu tun“, antwortete er.
„Was denn?“, fragte Mareibe munter.
„Wenn du es genau wissen willst, ich habe versucht, meinen Splitter zu reparieren.“
Jarek sah Carb fragend an. Auf dem Weg vom Tal nach Utteno hatte Carb immer mal wieder probiert, den Splitter neu aufzupumpen, aber der Hebel hatte sich nicht gerührt. „Hattest du Erfolg?“, fragte er den großen Fero.
„Ja.“
„Das ist gut.“ Jarek war erleichtert. Carbs Wunderwaffe hatte ihnen bisher sehr gute Dienste geleistet und Jarek wusste nicht, welche Gefahren sie auf dem Weg zur Stadt der Memo noch erwarteten.
„Ihr beide musstet euch eine Unterkunft teilen?“, fragte Carb betont beiläufig und ließ den Blick über die Schlafstelle von Jarek wandern. „Ich hatte eine für mich.“
Jarek schüttelte den Kopf. „Mareibe ist gerade erst gekommen. Und sie hat mir mit dem Zopf geholfen.“
„Wie nett von Mareibe“, sagte Yala, aber ihr Ton hätte Jarek in jeder Schänke alarmiert. „Kommst du mit? Ich meine, ihr?“
Mareibe erhob sich und strich das Kleid glatt. „Wohin wollt ihr denn?“, fragte sie unbefangen.
„Matus will uns die Cave zeigen“, erklärte Yala ohne große Begeisterung. „Zeit, sich anzuziehen, Mareibe.“
Die junge Solo zog mit amüsierter Verwunderung die Augenbrauen hoch. „Ich bin angezogen.“
„Ich meinte deine Schuhe“, erwiderte Yala.
Jarek zog seine Stiefel heran und Mareibe schlüpfte in die flachen Schnürschuhe, die auch neu waren.
Carbs Augen suchten noch einmal die Schlafstelle, dann Jarek und schließlich sah er Mareibe mit einem enttäuschten und verletzten Ausdruck in den Augen an und sagte: „Gehen wir.“
Sie mussten die ganze Stadt durchqueren, um zu der Cave zu gelangen. Die breite Hauptstraße führte dorthin und sie folgten ihr bergauf.
Adolo
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