Memo von Meena (German Edition)
für Gutherzigkeit und Hilfsbereitschaft, wenn es um den Umgang mit Menschen ging. Schon als junges Mädchen lehrte mich besonders meine Mutter, den Leuten mit dem Höchstmaß an Selbstlosigkeit zu begegnen. Diese Einstellung übernahm ich, ohne bewusst darüber nachzudenken, bis ins Erwachsenenalter. Heute frage ich mich jedoch immer wieder, ob sich das Ziel, anderen eine Hilfe zu sein, wenn sie Probleme haben, und meine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, wirklich noch mit dem echten Leben vereinbaren lässt. Denn seien wir ehrlich: In der Realität neigen die sogenannten Freundinnen sehr schnell dazu, zu vergessen, dass du ihnen in der Vergangenheit aus einer schwierigen Lage geholfen hast, sie dir ihren Job verdanken, weil du ein gutes Wort für sie in der Chefetage eingelegt hast oder du ihnen unzählige Male bis in die Nacht dein müdes Ohr für tränenreiche Anekdoten über die Trennung von ihrem aktuellen Traummann zur Verfügung gestellt hast. Wenn es darauf ankommt und man selbst in einer schwierigen Lage steckt, reduziert sich die Anzahl der erreichbaren Kontakte nämlich grundsätzlich auf sehr wenige. Dann spielt es keine Rolle mehr, wie viele Male man in der Vergangenheit auf die Bitte um einen sogenannten Gefallen mit Ja geantwortet hat, wenn einem eigentlich ein Nein im Mund lag.
Vermutlich liegt es in der Natur des Menschen, die guten Taten der anderen eher zu vergessen als ihre schlechten. Mittlerweile mache ich allerdings die überraschende Beobachtung, dass es sehr viel leichter ist, Nein zu sagen, je seltener man sich zu einem Ja durchringt. Sich hin und wieder zu einem Gefallen überreden zu lassen, in der Regel allerdings eher mit einem Nein zu antworten, lässt – welch ein Wunder – tatsächlich den Eindruck entstehen, dass ein Ja aus unserem Mund sehr viel wertvoller ist.
Mein Präzedenzfall war das gut einstudierte Nein, dass ich neulich einer eher oberflächlichen Freundin gab, als sie mich wieder einmal bat, das Alibi für die Ausrede vor ihrem misstrauischen Ehemann zu sein, weil sie sich heimlich mit einem Typen aus dem Internet treffen wollte. Ihre Reaktion auf meine unerwartete Antwort war zwar eher zerknirscht, umso befreiender war dieser Ritterschlag für mich. Nein = ein kleines Wort für einen Menschen, aber ein großes Wort für mich, denn plötzlich liegt mir der Gedanke, mich hin und wieder unbeliebt zu machen, nicht mehr so schwer im Magen wie früher. Im Gegenteil: Ein freundliches, aber bestimmtes Nein wirft Ballast ab, trennt von Altlasten und zeigt nur umso deutlicher, wer die wahren Freunde im Leben sind. Denn seien wir ehrlich: Einem echten Freund schenken wir auch dann gerne ein Ja, wenn es eigentlich gerade nicht in unseren Zeitplan passt, ganz einfach, weil er es verdient hat. Besagte Freundin, inzwischen vermutlich ehemalige, stand durch ihr fragwürdiges Verhältnis zum Thema Treue ohnehin nicht allzu hoch in meiner Gunst.
In diesem Sinne: Gehen Sie sorgsam mit Ihrem Ja um und merken Sie sich vor allem eins: Solange Sie es nicht vor dem Traualtar sagen, kann Sie ein Nein vermutlich noch sehr weit bringen.
Ihre Meena Teske
Kapitel 10: Die Sache mit dem Nein
Meena:
Nein
Oliver:
Sollte ich diese Nachricht verstehen?
Meena:
Ich übe mich nur im Nein-Sagen.
Oliver:
Sie haben die Kolumne gelesen, schön. Darf ich aus Ihrem SMS-Nein-Training schließen, dass sie Ihnen gefallen hat?
Meena:
Heißt das, dass Ihnen meine Meinung noch immer so ungewöhnlich wichtig ist?
Oliver:
Und fällt es Ihnen noch immer so ungewöhnlich schwer, auf eine einfache Frage zu antworten?
Meena:
Wenn es die falsche Frage ist, ja.
Oliver:
Was wäre denn die richtige?
Meena:
Ich kann Ihnen nur sagen, was MEINE richtige Frage wäre: Welche meiner Aufnahmen hat Sie zu dieser Kolumne verleitet? Habe ich etwa eine undankbare Freundin, ohne dass ich es weiß?
Oliver:
Sehen Sie, das kommt dabei heraus. Hätten Sie etwas offener auf meine Bitte nach einem Telefonat reagiert, hätte ich auch sehr viel bewusster nach ihren Interessen handeln können.
Meena:
Ach so, dann war diese Kolumne also eine Art Racheakt?
Oliver:
Ist sie etwa so schlecht, dass man sie als Racheakt betrachten könnte?
Meena:
Da hat jemand aber große Selbstzweifel.
Oliver:
Selbstzweifel ist das falsche Wort. Ich trainiere mich lediglich im Fragenstellen.
Meena:
Ich dachte im Nein-Sagen.
Oliver:
Sie verwechseln mich mit meinem
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