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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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uns allein.
      Ich verstand noch immer nicht, warum mich Hitler in einer so dramatischen Situation zu sich kommen ließ. Er gab mir die Hand und ging dann im Zimmer auf und ab. Sein Gesicht war fahl, die Haare hingen ihm in die Stirn, die mit Schweißtropfen bedeckt war. Dann brach es aus ihm heraus: «Diese Verräter, diese Feiglinge - und das kurz vor dem endgültigen Sieg - diese Narren - dreizehn Jahre haben wir gekämpft, geschuftet und alles gegeben - schwerste Krisen haben wir überwunden, und nun kurz vor dem Ziel, dieser Verrat!»
      Während er diese Worte ausstieß, sah er mich nicht ein einziges Mal an. Wieder ging er auf und ab, blieb stehen, griff sich an die Stirn und dann, wie im Selbstgespräch, sagte er: «Wenn die Partei zerfallen sollte, muß ich mit meinem Leben Schluß machen.» - Nach einer kurzen Pause fuhr er erregt fort: «Aber solange ich noch Männer wie Heß und Göring um mich habe, darf ich das nicht tun - ich kann sie nicht im Stich lassen, auch nicht die vielen treuen Parteigenossen. Wir werden weiterkämpfen, und wenn wir noch einmal ganz von vorne anfangen müßten.»
      Hitler atmete schwer, verkrampfte die Hände ineinander. Nun verstand ich, warum er mich kommen ließ. Er brauchte einen Menschen in seiner Nähe, dem er sich anvertrauen konnte. Dann verfiel er in einen endlosen Monolog, indem er über die Entstehung der Partei sprach. Langsam wurde er ruhiger. Dann sah er mich zum ersten Mal an, hielt meine Hand und sagte: «Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind.»
      Ich konnte nicht sprechen, ich war zu bewegt. Ohne auch nur ein einziges Wort gesprochen zu haben, verließ ich das Zimmer.
    Dr. Goebbels

    A us der Presse ging hervor, daß in der Partei Hitlers der Kampf um die Macht weiterging. Dr. Goebbels als Gauleiter von Berlin verstärkte seinen Einsatz. Erstaunlich, über welche physischen Kräfte dieser kleine Mann verfügte. Eine Kampfrede folgte auf die andere. Ich mochte ihn nicht, aber gerechter Weise mußte ich zugeben, daß er großen persönlichen Mut besaß. Wenn er in Berlin am Wedding vor kommunistischen Arbeitern redete, wurden Biergläser nach ihm geworfen. Er verließ das Podium nicht, auch, wenn er verletzt wurde, und es gelang ihm fast immer, die gegen ihn aufgebrachte Menge in den Griff zu bekommen und für sich zu gewinnen. Für Hitler war er in Berlin unentbehrlich.
      Um so unbegreiflicher war es, daß dieser Mann, der in der Endphase des Ringens um die Macht seine ganze Kraft aufbieten mußte, sich in das hoffnungslose Unternehmen stürzte, mich um jeden Preis zu gewinnen.
      Schon wenige Tage, nachdem ich Zeuge eines verzweifelten Hitlers geworden war, meldete sich Goebbels. Was ich vermutet hatte, bestätigte sich jetzt. Es verging kein Tag, an dem er mich nicht anrief, an manchen Tagen sogar mehrmals, und immer mehr drängte er zu einem Treffen. Eines Nachmittags stand er unangemeldet vor meiner Haustür.
      «Bitte, nur einen kurzen Augenblick», bat er entschuldigend, «ich hatte in der Nähe zu tun.» Das war mir sehr unangenehm, aber ich wagte nicht, ihn abzuweisen. Als ich mein Mädchen bat, einen Tee zu bereiten, wehrte er ab: «Keine Umstände, ich habe wenig Zeit ich muß heute abend noch zu einer Versammlung.»
      «Was führt Sie zu mir, Doktor?»
      «Ich habe Sorgen und wollte mich bei Ihnen aussprechen.»
      «Ich glaube nicht, daß ich eine geeignete Person bin.»
      Goebbels ignorierte meine Antwort und begann, scheinbar unbeeindruckt, von persönlichen Problemen zu sprechen, vor allem von seinen politischen Aktivitäten. Die Art und Weise, wie er darüber sprach, wirkte überheblich und arrogant.
      So sagte er: «Im Reichstag bin ich der unsichtbare Drahtzieher, der alle Fäden in der Hand hat und der die Puppen tanzen läßt.»
      Das klang so zynisch, daß er mir in diesem Augenblick wie ein leibhaftiger Mephisto vorkam. Ich konnte mir vorstellen, daß er ebenso, wenn es die Umstände erforderten, auch Stalin dienen wür
    de. Er war ein gefährlicher Mann.
      Obgleich ich Goebbels gebeten hatte, nicht mehr zu kommen, änderte das an seinem Verhalten nichts. Er mußte längst bemerkt haben, daß ich keine Sympathien für ihn empfand, aber meine Ablehnung reizte ihn um so mehr. Offenbar konnte er nicht begreifen, wie eine Frau seinem Werben widerstehen konnte. Schließlich kam es zu einer peinlichen Auseinandersetzung. Ich hatte abgelehnt, ihn in meiner Wohnung zu empfangen. Als er aber versprach, nur

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