Memoiren 1902 - 1945
zwanzig Minuten verspätet. Eine Katastrophe. Hitler und Goebbels standen bereits in der Halle und erwarteten mich voller Ungeduld. Hitlers Gesicht war bleich, Goebbels schien zu feixen. Er genoß es, mich in einer so peinlichen Lage zu se
hen. Die Begrüßung war eisig. Beklommen und verwirrt versuchte ich eine Entschuldigung.
Ungefähr 200 Gäste warteten auf mich, die Generäle in Uniform, ordengeschmückt, die Frauen in Abendkleidern. Auch hier wurde ich mit fast versteinerten Mienen begrüßt. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst.
Die Vorführung begann. Noch immer war ich benommen und hatte das Gefühl großer Einsamkeit. Während der Film lief, war ich mit meinen Gedanken weit weg von hier. Nach einigen Minuten spürte ich ein aufkommendes Interesse, so etwas wie Wärme. Wer oft auf der Bühne gestanden ist, entwickelt einen sechsten Sinn dafür, ob man bei den Zuschauern ankommt. Überraschend übte der Film eine starke Wirkung aus.
Als es wieder hell wurde, erlebte ich einen Sieg. Mir wurden die Hände geschüttelt, ich wurde umarmt. Leni hier - Leni da - die Begeisterung war groß. Auch Hitler kam erfreut auf mich zu und beglückwünschte mich. In Goebbels’ Gesicht stand zu lesen, wie sehr er mir den Erfolg mißgönnte.
Hitler hatte Humor: Er schenkte mir zu Weihnachten eine Meißner Porzellanuhr mit Läutwerk.
Auf der Zugspitze
O bgleich ich schon mit den Vorarbeiten für den Olympiafilm begonnen hatte, nahm ich im Spätherbst 1935 noch an einem Trainingskurs der Deutschen Damen-Skimannschaft auf der Zugspitze teil.
Unser Trainer, Toni Seelos, hatte mich eingeladen. Ich wollte das Skilaufen noch einmal genießen - nicht, weil ich etwa von OlympiaMedaillen träumte. Die Damen-Mannschaft hatte zu dieser Zeit drei Läuferinnen, die unangefochten Spitze waren: Christi Crantz, die spätere Goldmedaillen-Gewinnerin, Käthe Grasegger, die die Silbermedaille gewann, und Lisa Resch. Da waren aber auch Läuferinnen wie Lotte Baader und Hedi Lantschner, denen mein Leistungsstand etwa entsprach. So kam es zu neidvoller Unruhe in der Mannschaft, fast zur Meuterei gegen mich - nicht von Seiten der guten Läuferinnen, mit denen ich mich gut verstand. Die Angst der schwächeren, ich könnte in die Olympia-Mannschaft hineinkommen, und eine von ihnen würde diese Chance verlieren, war jedoch töricht. Schon die umfangreichen Vorarbeiten für den Olympiafilm erlaubten mir nicht die Zeit für das notwendige harte Training. Es hatte mir nur Spaß gemacht, einmal bei einem Trainingskurs dabeizusein.
Nun redeten aber einige der Damen kein Wort mehr mit mir, selbst Hedi Lantschner nicht, die noch im Frühjahr mein Gast in Davos war und viele Skiabfahrten mit mir gemacht hatte. So war mir die Lust an diesem Kursus vergangen. Allerdings wollte ich auch nicht so ohne weiteres von der Zugspitze herunter, zu sehr hatte ich mich auf das Slalomtraining gefreut. Ich telefonierte mit meinem Berg- und Skikameraden Hermann Steuri in Grindelwald. Er war sofort bereit, mit mir auf der Zugspitze zu trainieren.
Schon am nächsten Tag war er da, und wir begannen sofort mit dem Training. Unsere Slalomstangen stellten wir in einiger Entfernung der deutschen Mannschaft auf. Durch den Nebel hindurch konnte man sich kaum sehen. Da geschah etwas Unglaubliches. Friedl Pfeifer, Mannschaftsführer der Olympia-Damen, bisher mit mir befreundet und Gatte Hedi Lantschners, die in der Tat fürchtete, ich könnte sie von ihrem Platz verdrängen, protestierte gegen unser Training. Er forderte, wir sollten die Zugspitze sofort räumen. Sein Argument: Hermann Steuri könnte als Trainer der Schweizer Olympia-Damen seinem Training etwas abschauen, und das wäre doch glatt Spionage.
Wir kümmerten uns nicht um seinen Protest, worauf Pfeifer telefonisch Baron Le Fort, den Generalsekretär der Olympischen Winterspiele, verständigte. Er hielt sich in Garmisch auf und war schon mit den Vorbereitungen für die Winterolympiade beschäftigt. Und wirklich, er erschien am nächsten Tag mit einem Herrn des Olympischen Komitees und forderte uns kategorisch auf, die Zugspitze zu verlassen. Eine Zumutung, die wir uns selbstverständlich nicht gefallen ließen. Schließlich konnte auf der Zugspitze laufen, wer da wollte.
«Freiwillig gehen wir nicht!» sagte ich zu dem Baron. Wir nahmen unsere Skier und begaben uns auf den Slalomhang. Als wir zurückkamen, waren beide Herren verschwunden.
Die Olympiade-Film GmbH
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