Memoiren 1902 - 1945
ach dem Abenteuer auf der Zugspitze war es Zeit, für den Olympiafilm die Refinanzierung des Tobis-Vertrages zu beschaffen. An sich war das problemlos, da zur Förderung des Filmschaffens vom Propagandaministerium eine Film-Kreditbank geschaffen wurde, bei der Produzenten und Verleiher günstige Zinsbedingungen erhielten. Allerdings nur für Spielfilme.
Es waren bereits Verhandlungen mit Dr. Goebbels vorangegangen,
der überraschenderweise anfing, sich für den Olympiafilm zu interessieren. Er hatte sogar den Vorschlag gemacht, mir bei der Vorfinanzierung des Vorhabens behilflich zu sein, mit der Begründung, daß der Film, wenn er gelingen sollte, auch eine Werbung für das Reich darstelle, und dafür sei sein Ministerium zuständig. Diese unerwartete Haltung des Ministers war für mich eine große Erleichterung. Trotzdem gestalteten sich die weiteren Verhandlungen zwischen den Beamten des «Promi» und Herrn Traut und Herrn Großkopf, den Prokuristen meiner Firma, schwierig.
Es dauerte mehrere Monate, bis nach endlosen Überlegungen und Beratungen mit Finanz- und Steuerexperten eine Lösung gefunden wurde. Man hatte mir vorgeschlagen, daß es am zweckmäßigsten sei, für die Herstellung des Olympiafilms eine eigens zu schaffende Firma zu gründen, damit die Kredite, die das «Promi» bereit war zu geben, nicht an mich, sondern an die neue Firma gezahlt wurden. Im Dezember 1935 wurde die Olympiade-Film GmbH im Handelsregister eingetragen. Mein Bruder Heinz und ich waren die Gesellschafter. Um hohe Steuerbeträge zu ersparen, riet mir Dr. Schwerin, Syndikus meiner Firma, die Anteile der Olympiade-Film GmbH kostenlos an das Propagandaministerium abzutreten, bis sämtliche Kredite plus Zinsen zurückgezahlt sein würden. Da es sich hierbei lediglich um eine aus steuerlichen Gründen vorgenommene Formalität handelte, war ich damit einverstanden. Entscheidend war für mich allein, daß meine künstlerische Freiheit nicht eingeschränkt würde. Allerdings war ich nicht ganz frei. Die Firma unterstand, wie fast alle deutschen Filmfirmen, der finanziellen Kontrolle durch die Film-Kreditbank, die dem «Promi» unterstand. Als Geschäftsführerin der neuen Firma war ich für jede geliehene Mark verantwortlich. Auch gab es weitere Auflagen, so wurde meinen persönlichen Entnahmen ein Limit gesetzt. Außerdem sollte ich vor der Presse sagen, Dr. Goebbels habe mir den Auftrag für die Herstellung des Olympiafilms gegeben, obgleich dies der Wahrheit widersprach. Aber das machte mir damals nichts aus.
Das alles beschäftigte mich nur am Rande. Ich war bereits voll mit den Vorbereitungen meines Films in Anspruch genommen. Darum habe ich auch erst zu spät bemerkt, daß das Propagandaministerium immer mehr versuchte, mich unter seine Kontrolle zu bekommen. Unerträgliche Spannungen waren die Folge.
Hitler privat
W ie jedes Jahr fuhr ich am Heiligabend 1935 in die Berge. Kurz vor der Abreise kam ein Anruf von Schaub: Ob ich am ersten Weihnachtsfeiertag vormittags Hitler in seiner Münchner Wohnung besuchen könnte; den Grund für diese überraschende Einladung konnte er mir nicht nennen. Da ich ohnehin auf dem Weg nach Davos über München kam, war dies kein Problem.
Um elf Uhr vormittags, dieses Mal pünktlich, stand ich am Prinzregentenplatz Nummer 16, einem unauffällig aussehenden Eckhaus neben dem Prinzregententheater. Als ich im zweiten Stock klingelte, öffnete eine Frau mittleren Alters die Tür, Frau Winter, wie ich später erfuhr, die Haushälterin in Hitlers Privatwohnung. Sie führte mich in ein geräumiges Zimmer, in dem ich von Hitler begrüßt wurde. Wie jedesmal, wenn ich zu ihm gerufen wurde, war ich beunruhigt. Würde er sein Versprechen halten und mir nicht weitere Filmarbeiten auftragen?
Hitler war in Zivil. Er gab sich leger. Das Zimmer war bescheiden eingerichtet und ziemlich ungemütlich: Darin ein großes Bücherregal, ein runder Tisch mit Spitzendecke und einige Stühle.
Als hätte Hitler meine Gedanken erraten, sagte er: «Wie Sie sehen, Fräulein Riefenstahl, lege ich keinen Wert auf Komfort und Besitz. Jede Stunde brauche ich, um die Probleme meines Volkes zu lösen. Darum ist jeder Besitz nur eine Belastung für mich, selbst meine Bibliothek stiehlt mir Zeit, und ich lese sehr viel.» Er unterbrach seine Worte und bot mir etwas zum Trinken an. Ich nahm Apfelsaft.
«Wenn man ‹gibt›», fuhr Hitler fort, «muß man auch ‹nehmen›, und ich nehme mir, was ich
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