Memoiren 1902 - 1945
beendet sein. Die «Tobis», die schon für zwölf Millionen Mark Vorverträge für «Tiefland» abgeschlossen hatte, bestand auf der Fertigstellung des Films.
Ein anderes Problem war der gezähmte Wolf. Es gelang unserem tüchtigen Aufnahmeleiter nicht, ein solches Tier aufzutreiben. Überall hatte er nachgefragt, jeden Zirkus angerufen, die Antwort war immer dieselbe: Löwen, Bären, Tiger und andere Tiere können dressiert werden, aber nicht Wölfe. Wir versuchten es nun mit ausgebildeten Schäferhunden, aber die Aufnahmen zeigten unverkennbar, daß es Hunde, nicht Wölfe waren.
Als ich mit meinem schon sehr verzweifelten Aufnahmeleiter, Rudolf Fichtner, die Kaiser-Allee in Berlin entlangfuhr, sah ich auf dem Gehsteig einen jungen Mann, mit einem Wolf an der Leine. Fassungslos schaute ich auf das Tier - es war tatsächlich ein Wolf. Fichtner fragte den Mann, ob es wirklich ein gezähmter Wolf sei. Strahlend kam er und gab mir eine Visitenkarte: Dr. Bernhard Grzimek, Zoologe.
«Es ist ein echter Wolf», sagte Fichtner aufgeregt, «Herr Grzimek ist dabei, ihn zu dressieren.»
«Und», fragte ich nervös, «können wir mit dem Wolf arbeiten?»
«Vielleicht, aber im Augenblick ist der Wolf noch zu gefährlich. Herrn Grzimeks Frau liegt im Krankenhaus, der Wolf hat sie gebissen! Er hofft aber, ihn zähmen zu können», sagte Fichtner schon weniger optimistisch, «wir haben eine Besprechung mit Produktionsleiter Traut vereinbart.»
Inzwischen hatten wir Franz Eichberger, so hieß unser Pedro, nach Berlin kommen lassen. Er nahm Sprachunterricht in einer Schauspielschule, die mir von Frieda Richard empfohlen wurde. Ich war zu der Überzeugung gekommen, er sei der einzige für diese Rolle. Unser Fotograf, Rolf Lantin, betreute ihn und schirmte ihn gegen das Großstadtleben Berlins ab. Er könnte, so wurde befürchtet, zu viel von seiner «Unschuld» verlieren und dann seine Rolle nicht mehr so überzeugend spielen.
Während in Krün das Dorf neu aufgebaut wurde, begab ich mich auf Motivsuche in die Dolomiten. Auf der Fahrt von Mittenwald nach Bozen saß ich allein in meinem Abteil. Plötzlich spürte ich, daß mich jemand ansah. Irgend etwas hielt mich davon ab, aufzuschauen. Als ich die Augen doch öffnete, fiel mein Blick auf das Gesicht eines Mannes. Das Ungewöhnliche war, daß ich in diesem Moment, im Bruchteil einer Sekunde, eine Vision hatte, die zweite meines Lebens: Zwei Kometen mit riesigen Schweifen rasten auf mich zu, prallten zusammen und explodierten. Ich erschrak so heftig, als hätte ich das wirklich erlebt. Erst nach einiger Zeit, als meine Erregung sich etwas gelegt hatte, sah ich wieder in dasselbe Männergesicht. Der Blick war unentwegt, wie hypnotisiert, auf mich gerichtet. Der Fremde stand auf dem Gang und hatte seine Stirn an die Glasscheibe der geschlossenen Tür gepreßt, ein Offizier in Gebirgsjäger-Uniform, noch jung, vielleicht Anfang dreißig. Sein Ausdruck hatte etwas Verwegenes an sich. Das markante Gesicht war durch Schmisse gezeichnet. Ich spürte eine ungewöhnlich starke Anziehung, zugleich aber auch Furcht und vermied es, seinen Blick zu erwidern. Ich versuchte zu schlafen und das Erlebte wegzuwischen. Erst als der Zug in Innsbruck hielt, bemerkte ich, daß der Platz, an dem der Mann gestanden hatte, leer war.
In den Dolomiten fand ich im Rosengartengebiet auf Ciampedi, zu deutsch Himmelswiese, alle Motive, die wir in den Bergen brauchten. Auch einen idealen Platz für Pedros Hütte; dort sollte sich der Kampf mit dem Wolf abspielen. Wir hatten inzwischen die Zusage von Dr. Grzimek erhalten, konnten aber schon vorher mit den Szenen ohne den Wolf beginnen. Die Arbeit mit Eichberger war ein Vergnügen. Seine Natürlichkeit vor der Kamera überraschte uns.
Nach drei Wochen brachen wir die Arbeit in den Dolomiten ab. Die Bauten in Krün waren fertig. Die kostspielige Dorftotale mit den unzähligen Komparsen mußte vor Einbruch des Winters abgedreht werden. Erst Mitte September konnten wir damit beginnen. Viel zu spät.
Nur großes Wetterglück könnte uns noch helfen. Vor allem waren die Komplexe mit der Komparserie aufzunehmen. Meine Sarntaler Bauern, die sich so großartig im «Blauen Licht» bewährt hatten und der nordspanischen Bevölkerung sehr ähnelten, waren bereit, mitzumachen. Um das spanische Kolorit zu verstärken, hatte ich Harald Reinl schon im August beauftragt, auch Zigeuner zu engagieren, junge Männer, Mädchen und Kinder.
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