Memoiren 1902 - 1945
machte mich von neuem krank: Ich hoffte wie immer, in den Bergen Linderung zu finden. Aber seitdem Dr. Goebbels im Februar 1943 den «totalen Krieg» erklärt hatte, konnte man nur noch mit einem ärztlichen Attest, das vom Propagandaministerium anerkannt werden mußte, in einen Gebirgsort reisen. Zwei Ärzte hatten mir Atteste ausgestellt, in denen ein Aufenthalt in den Bergen dringend empfohlen wurde. Trotzdem wurden meine Gesuche vom Propagandaministerium abgelehnt. Ich mußte in Berlin bleiben.
In einer Serie von Luftangriffen erlebte ich in meinem Haus am 1. März 1943 nachts einen der schwersten. Türen sprangen aus den Rahmen, sämtliche Scheiben zerbrachen. Ich glaubte, mein Trommelfell würde zerreißen, so heftig waren die Detonationen. Sieben Brandbomben konnte ich mit meinem Mädchen löschen. Als sich die Bomber
entfernten, gingen wir ins Freie. Alle Häuser in meiner Umgebung brannten. Vom Nachbarhaus, in dem die mit mir befreundete Familie Geyer wohnte, hörten wir Hilferufe. Zusammen mit ihrem Mädchen konnten wir die zwei Kinder aus den Flammen retten. Noch lange war der Himmel rot.
Am nächsten Morgen zählten wir auf meinem Grundstück fast
200 Brandbomben, und in den Ästen eines Baumes, nahe dem Balkon meines Hauses, hing die zerfetzte Leiche eines britischen Fliegers. Ich konnte diese Schrecken kaum noch ertragen und wollte nicht länger in Berlin bleiben. Da half mir Albert Speer. Er bot mir in Kitzbühel ein Zimmer im «Todtheim» an. Da Dr. Fanck im Rahmen meiner Firma für die «Organisation Todt» die Modellbauten von Berlin filmte, hatte ich Anrecht, mich dort kurzfristig aufzuhalten. Ich nahm das Angebot an. Die Nacht vor meiner Abreise werde ich nie vergessen. Es war wie ein Weltuntergang.
In Spanien 1943
N ach einer Pause von neun Monaten, die große Geduld von uns forderte, hofften wir für unseren Unglücksfilm endlich die letzten Außenaufnahmen in Spanien machen zu können. Wegen der Kampfstierszenen war es unmöglich, diese Komplexe woanders aufzunehmen. Fast hatten wir die Hoffnung verloren, den Film noch fertigstellen zu können. Der Grund: Das Wirtschaftsministerium hatte alle unsere wiederholten Devisenanträge abgelehnt, mit der Begründung, «Tiefland» sei kein kriegswichtiger Film. Dabei hatte die «Tobis» den Film schon nach Spanien verkauft, die notwendigen Peseten waren gesichert.
Da entschlossen sich meine beiden Prokuristen Traut und Großkopf zu einem Bittbesuch bei Reichsleiter Martin Bormann, der seit dem Englandflug von Heß als Chef im «Braunen Haus» residierte und seit dem großen Krach mit Goebbels unsere oberste Dienststelle war. Wenn Bormann etwas erreichen wollte, berief er sich, wie allgemein bekannt war, auf einen Befehl Hitlers. Nur deshalb bekamen wir auch unsere Devisen.
Der Flug nach Madrid erschien mir kurz, weil ich sehr übermüdet war. Unmittelbar vor dem Abflug gab’s wieder Fliegeralarm, und ich hatte die letzte Nacht noch im Schneideraum arbeiten müssen.
In Barcelona hatten wir eine Stunde Aufenthalt. Hier gab es Bohnenkaffee, Bananen, Apfelsinen, Schokolade, einfach alles, was das Herz begehrt. Was für ein Gefühl, nach vier Jahren Krieg in ein Land zu kommen, das im Frieden lebt - ich glaubte zu träumen. Die ersten Eindrücke waren verwirrend. Spanien hatte sich nach dem Bürgerkrieg erholt, riesige Lichtreklamen erleuchteten die nächtlichen Straßen von Madrid.
Wie schon vor fast zehn Jahren war ich auch dieses Mal beeindruckt von den Menschen, dem Land, den Sitten, der Kunst, überhaupt, von der spanischen Art zu leben. Verstärkt wurde dieses Gefühl noch durch die Deutschfreundlichkeit der Bevölkerung und ihrem liebenswürdigen Wesen.
Unsere erste Motivsuche führte uns nach Sepulveda, dann nach Segovia und Avila in Kastilien. Sie zählen seitdem für mich zu den interessantesten spanischen Städten, wie auch Salamanca mit seinen prachtvollen Innenhöfen.
Dann kamen wir in den Süden. Die Alhambra in Granada verschlug mir den Atem. Dieses Wunderwerk arabischer Baukunst schien nicht aus Steinen erbaut, sondern wie aus Spitzen gewebt. In der Nähe Sevillas erlebten wir echte Zigeunertänze, so hinreißend, daß wir die ganze Nacht zuschauten.
In Algeciras lag die Meerenge von Gibraltar vor uns - Palmen und Oleander leuchteten im Sonnenlicht gegen das blaue Meer -, im Dunst konnte man die afrikanische Küste sehen und, zum Greifen nah, den Felsen von Gibraltar.
In Südspanien sahen
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