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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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setzten wir uns an die Tafel. Ich war froh, daß mein Mann, der sehr eifersüchtig war, beherrscht blieb und mir auch glaubte, daß ich diesen Betrunkenen nie in meinem Leben gesehen hatte.
      Wenige Tage vor Peters Urlaubsende erhielt ich von Hitler einen Blumenkorb mit Glückwünschen und einer Einladung. Wir sollten beide am 30. März auf den Berghof kommen. Über Julius Schaub, dessen Frau in Kitzbühel wohnte, hatte er von meiner Trauung erfahren.
      Ich war beunruhigt und fast bestürzt, Hitler in dieser dramatischen Phase des Krieges gegenüberzutreten. Über drei Jahre hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Würde uns Hitler etwas von seinen Gedanken verraten? In welcher Verfassung würden wir ihn antreffen?
      Als der schwarze Mercedes uns in Berchtesgaden im Hotel abholte, stieg General Schörner aus dem Auto; er kam von Hitler, der ihn sehr schätzte.
      Wie oft bin ich gefragt worden, welchen Eindruck ich von Hitler hatte. Besonders bei meinen Verhören durch die Alliierten spielte diese Frage immer die Hauptrolle. Es ist nicht leicht, meine damaligen Empfindungen für Hitler zu beschreiben. Einerseits empfand ich große Dankbarkeit, wie er mich vor meinen Feinden wie Goebbels und anderen beschützt hatte, und daß er mich als Künstlerin so sehr schätzte. Aber es hatte mich empört und beschämt, als ich im Herbst 1942, aus den Dolomiten kommend, in München das erste Mal sah, wie jüdische Menschen einen gelben Stern tragen mußten. Daß sie in Konzentrationslager verschleppt wurden, um dort vernichtet zu werden, habe ich erst nach dem Krieg durch die Alliierten erfahren.
      Die frühere Begeisterung, die ich für Hitler empfunden hatte, war abgekühlt, die Erinnerung daran lebte noch in mir. Meine Gefühle bei dieser Begegnung blieben zwiespältig. Vieles störte mich an ihm. So war es mir unerträglich, wenn Hitler von den Russen als «Untermenschen» sprach. Diese pauschale Verurteilung eines ganzen Volkes, das so große Künstler hervorgebracht hat, verletzte mich tief. Auch fand ich es schrecklich, daß Hitler keinen Weg fand, diesen hoffungslosen, mörderischen Krieg zu beenden. Ich nahm mir vor, ihn zu fragen, warum er sich nicht die zerbombten deutschen Städte ansehe - aber ich blieb stumm.
      Hitler küßte mir die Hand und begrüßte meinen Mann kurz und ohne ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Mir fiel seine zusammengesunkene Gestalt auf, das Zittern seiner Hand und das Flackern seiner Augen - Hitler war seit unserer letzten Begegnung um Jahre gealtert. Aber trotz dieser äußerlichen Verfallserscheinungen ging noch immer die gleiche magische Wirkung von ihm aus, die er seit jeher besessen hatte. Ich spürte, daß die Männer und Frauen, die um ihn waren, blindlings seinen Befehlen folgten.
      Hitler hat bei diesem meinem letzten Zusammentreffen mit ihm nicht eine einzige Frage an meinen Mann gestellt, was mich wunderte. Ich nahm an, daß er sich erkundigen würde, an welchen Frontabschnitten er gekämpft und wofür er das Ritterkreuz erhalten hätte. Auch an mich richtete er keine Fragen, sondern begann wie in der Nachtstunde im «Kaiserhof» gleich nach der Begrüßung zu reden - fast eine Stunde lang; wieder war es nur ein Monolog. Ruhelos ging er dabei auf und ab.
      Drei Themen schienen ihn hauptsächlich zu beschäftigen. Zuerst sprach er ausführlich über den Wiederaufbau Deutschlands nach Kriegsende. Er führte auf, daß er viele Fotografen und Spezialisten beauftragt habe, von allen Kunstwerken, Kirchen, Museen, historischen Gebäuden, Fotografien anzufertigen, nach denen alles naturgetreu nachgebildet werden solle. «Deutschland», sagte er mit Pathos, «wird schöner denn je aus den Trümmern entstehen.»
      Das andere Thema betraf Mussolini und Italien. Er beschuldigte sich eines unverzeihlichen Irrtums, daß er Italien ebenso hoch eingeschätzt habe wie den Duce. « Mussolini», sagte er, «ist als Italiener eine Ausnahme, seine Qualitäten stehen weit über dem Durchschnitt. Die Italiener», rief er, «führen nur Kriege, die sie verlieren. Bis auf ihre alpinen Truppen können sie nicht kämpfen, ebenso wie die anderen Balkanvölker, mit Ausnahme der tapferen Griechen. Der Eintritt Italiens in den Krieg war für uns nur eine Belastung. Hätten die Italiener nicht Griechenland angegriffen und unsere Hilfe gebraucht, dann hätte sich der Krieg anders entwickelt. Wir wären dem russischen Kälteeinbruch um Wochen zuvorgekommen und hätten Leningrad und Moskau erobert.

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