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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Es hätte dann kein Stalingrad gegeben. Die Front im Süden Rußlands ist nur zusammengebrochen, weil die Italiener und Balkansoldaten nicht kämpfen können, deshalb hatten wir die ganze Kriegslast allein zu tragen. Mussolini führt einen Kampf ohne Volk, das ihn noch schändlicherweise verraten hat.» Hitler, immer erregter werdend, kam nun auf England zu sprechen.
      Zitternd vor Wut, die Faust geballt, rief er: «So wahr ich hier stehe, niemals mehr wird ein Engländer mit seinen Füßen deutschen Boden betreten.» Darauf folgte eine Flut von Haßtiraden über England. Hitler sprach wie ein abgewiesener Liebhaber, denn alle aus sei
ner Umgebung wußten, wie sehr er die Engländer bewundert hatte. Seine Vorliebe für die Briten war so groß, daß er, wie einige seiner Generäle berichteten, das deutsche Landungsunternehmen auf die Insel unter allen möglichen Vorwänden immer wieder verschoben und schließlich sogar abgesagt hatte. Der Gedanke, England total zu vernichten, wäre ihm unerträglich gewesen. Er soll es nie verwunden haben, daß England dem Deutschen Reich den Krieg erklärte. Sein politischer Traum, mit England eine Welt nach seiner Vorstellung gegen den Kommunismus aufzubauen, war zerstört. Das war die Quelle seines Hasses gegen England.
      Wie aus einer Trance erwachend, kehrte Hitler plötzlich in die Wirklichkeit zurück. Er räusperte sich und machte dann eine unmißverständliche Geste, aus der wir entnehmen konnten, daß der Besuch beendet war. Er verabschiedete sich und begleitete uns hinaus auf einen langen Gang. Als ich mich am Ende des Ganges umdrehte, sah ich Hitler noch immer an derselben Stelle, uns nachsehend, stehen.
      Ich fühlte, daß ich ihn nicht mehr wiedersehen würde.

    Am 20. Juli 1944

    I n der Stunde, in der das Attentat auf Hitler verübt wurde, stand ich auf dem Dahlemer Waldfriedhof und nahm ergriffen an der Beerdigung meines viel zu früh verstorbenen Vaters teil. Er war nur 65 Jahre geworden.
      Danach wollte ich Speer besuchen, in der Hoffnung, etwas von den Wunderwaffen zu erfahren, über die in letzter Zeit soviel gesprochen wurde. Als ich in sein Büro am Pariser Platz eintrat, verließ er gerade in großer Eile sein Zimmer und lief mit einem flüchtigen Gruß an mir vorbei. Seine Sekretärin sagte mir, er sei dringend zu Goebbels bestellt worden. Noch wußten wir nichts von dem Anschlag auf Hitler. Durch die Fensterscheiben sah ich Soldaten vor dem jetzt am anderen Ende des Pariser Platzes untergebrachten Propagandaministerium aufmarschieren.
      Wenig später meldete der Rundfunk, daß ein auf Hitler verübtes Attentat mißlungen war. Der Führer sei unverletzt und gesund. Diese Nachricht machte uns tief betroffen. Die Menschen auf den Straßen debattierten in ungeheurer Erregung. Wohin ich kam, war man über das Attentat entsetzt. Auch im Zug- ich fuhr noch am selben Tag nach Kitzbühel - herrschte unter den Reisenden, meistens Soldaten, darunter viele Verwundete, eine ungeheure Erregung.
      In Kitzbühel erwartete mich eine furchtbare Nachricht. Mein Bruder war in Rußland gefallen. Sein Tod war grausam - eine Granate hatte ihn zerfetzt. Das Unglück geschah in derselben Stunde, in der die Bombe im Führerhauptquartier explodierte und ich am Grab meines Vaters stand.
      Über diesen schrecklichen Tod meines Bruders bin ich bis heute nicht hinweggekommen. Ich konnte und kann mir nicht verzeihen, daß ich es unterließ, ein einziges Mal Hitler um etwas ganz Persönliches zu bitten. Ich hatte Hemmungen, mich in dieser schweren Phase des Krieges an ihn zu wenden.
      Mein Bruder war das Opfer interner Intrigen geworden. Er soll auf dem Schwarzmarkt Fleisch gekauft und sich abfällig über den Krieg geäußert haben. Ein Mitarbeiter von ihm, in der Firma meines Vaters tätig, hatte ihn angezeigt. Die Denunziationen begleiteten ihn wie ein Fluch. Trotz seiner Tapferkeit wurde ihm jede Beförderung verweigert, und er wurde, wie er mir schrieb, immer wieder bei den sogenannten «Todeskommandos», zeitweise dabei sogar in einer Strafkompanie, eingesetzt.
      Als Chefingenieur in der Firma meines Vaters, die Installationen für Rüstungsbetriebe ausführte, war er längere Zeit u. k. gestellt. Im Auftrag des SS-Generals Wolff, der mit der Frau meines Bruders befreundet war und die sich scheiden lassen wollte, ohne aber die Kinder, die mein Bruder abgöttisch liebte, ihm zu überlassen, erschien bei ihm ein Beauftragter des gefürchteten Generals Unruh,

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