Memoiren 1945 - 1987
bringen, wo wir uns im Grand Hotel «Majestic Miramonti» treffen wollten. Ich nahm meine Mutter, von der ich mich nur noch schwer trennen konnte, nach Cortina mit, wo wir von Herrn Manaigo, dem Besitzer des Hotels, herzlich empfangen wurden. Herr Panone war noch nicht angekommen, worüber ich froh war, denn nach den anstrengenden Wochen in München brauchte ich Ruhe.
Es schneite ohne Unterbrechung. Bald lag der Schnee meterhoch. Die Wege mußten freigeschaufelt werden, und nach wenigen Tagen schauten nur noch die Spitzen der Telegrafenstangen aus den Schneemassen heraus. Seit Jahrzehnten hatte es hier nicht soviel Schnee gegeben. Panone schickte ein Telegramm, er würde sich einige Tage verspäten.
Da die italienische Presse in großer Aufmachung berichtete, daß in Cortina «Die roten Teufel» gefilmt würden, befand sich nun der ganze Ort in Aufregung. Wo ich hinkam, wurde ich mit Fragen bestürmt. Von Panone hatte ich kein Lebenszeichen mehr erhalten. Ich wurde unruhig. Was war geschehen? Meine Situation wurde immer peinlicher. Ich hatte mich auf das Geld von Panone verlassen, besaß selbst nichts und konnte mir außerhalb des Hotels weder eine Limonade noch einen Capuccino leisten. Alle Versuche, Panone zu erreichen, blieben erfolglos. Weder im Büro noch privat meldete sich jemand. Auch meine Telegramme blieben ohne Antwort. Unglücklicherweise war mein Freund Paul Müller nicht in Rom, und Renata, die mir in Rom zur Verfügung gestellte Sekretärin, war auch nicht erreichbar. Wieder durchlebte ich schlaflose Nächte. Seit drei Wochen wartete ich nun schon in Cortina — ich mußte endlich Gewißheit haben, und dazu mußte ich nach Rom. Aber wie sollte ich dorthin kommen!
Signor Menaigo hatte meine Unruhe bemerkt. Er war bestürzt, als ich ihm meine Lage schilderte. Daß ich die Hotelrechnung nicht zahlen konnte, schmerzte ihn nicht so sehr, aber der Verlust für Cortina, der nach der großen Werbung entstehen würde, berührte ihn stark. Sofort dachte er über andere Finanzierungsmöglichkeiten nach, denn der Filmstoff hatte ihn beeindruckt. Mit einigen der großen Filmproduzenten, die ihre Weihnachtsferien in seinem Lu xushotel verbrachten, wollte er Verbindung aufnehmen. Außerdem schaltete er den einflußreichen Verkehrsdirektor von Cortina, Herrn Gurschner, ein, der sich ganz besonders an dem Filmprojekt interessiert zeigte. Schließlich wurde Otto Menardi hinzugezogen, der als Besitzer des Berghotels «Tre Croci» ebenfalls reiche Italiener kannte. Diese drei Herren bemühten sich intensiv um eine neue Finanzierung meines Films.
Von Tag zu Tag wurde es für mich aufregender, weil es mal aussichtsreich, mal ganz trostlos aussah. Interessenten erschienen in Cortina, konkrete Zusagen wurden gegeben, sogar Vertragsentwürfe kamen zustande — aber dann platzte alles wie Seifenblasen. Ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben, als ich plötzlich eine Überraschung erlebte: Herr Gurschner berichtete, er habe erfreuliche Telefongespräche mit einem der damals größten italienischen Produzenten geführt. Dieser Mann interessiere sich lebhaft für dieses Projekt und wolle sich gern mit mir unterhalten. Er bat mich am nächsten Tag, 12 Uhr mittags, ins «Grand-Hotel» nach Rom, ein anderer Termin war ihm nicht möglich. Ich war ratlos, wie sollte ich das schaffen? Signor Menaigo war mit meiner Abreise und einer Stundung der Hotelrechnung einverstanden. Eugen Siopaes, mein Bergführer, den mir die Skischule in Cortina kostenlos für die Motivsuche zur Verfügung gestellt hatte, erklärte sich sofort bereit, meine Mutter nach München zu bringen. Ein Glück, daß ich Rückfahrkarten hatte. Herr Gurschner, nebenbei auch Leiter der italienischen Busgesellschaft SAS, gab mir ein Freiticket nach Rom.
Früh am Morgen kam ich in Rom an, ohne eine Lira in der Tasche. Auch hatte ich in der Eile der Abreise vergessen, mir Proviant mitzunehmen, und spürte schon den Hunger.
Stunden vor der verabredeten Zeit war ich im «Grand-Hotel» und ging erst einmal in den Waschraum, um mich für dieses Rendezvous zu erfrischen. Die nächtliche Reise hatte mich sehr ermüdet. Als Kennzeichen hatten wir zwei Merkmale vereinbart, meine damals tizianrote Haarfarbe und meinen Regenmantel in auffallendem Grün. Ich hatte ihn mir kurz vor meiner Romreise zugelegt.
In der Hotelhalle nahm ich einige Illustrierte zur Hand. Was hätte ich jetzt um ein gutes Frühstück gegeben! Ein Ober kam, überreichte mir die
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