Memoiren 1945 - 1987
sehr für die Erlangung meines belgischen Visums eingesetzt hatte, sehr peinlich. Vor allem aber hatte die Verweigerung der Einreise schwerwiegende Folgen für unseren Film. Nur in Ruanda-Urundi, damals noch belgisches Mandatsgebiet, hatte ich den idealen Urwaldfluß gefunden. Wir hatten fast alle Flüsse in Ostafrika abgeflogen, keiner von ihnen war für unseren Film geeignet. Entweder führte ihr Lauf durch sandige Steppenlandschaft, oder die Flüsse ähnelten eher der Isar oder der Spree, aber nicht einem afrikanischen Fluß, wie ihn unser Drehbuch verlangte.
Die zweite schlimme Nachricht: Unser Safariwagen, der auf der belebten Hauptstraße von Nairobi direkt vor dem Hotel «Torres» parkte, war in der Abenddämmerung aufgebrochen worden. Nicht nur alle Tropenkleidungsstücke waren gestohlen, sondern auch Dokumente, Tagebücher und unser belichtetes und unbelichtetes Fotomaterial, ferner fünf Fotokameras, die meinen Mitarbeitern gehörten. Am schlimmsten aber war der Verlust von Helges handgeschriebener Drehbuchfassung, dem einzigen Exemplar, das wir besaßen. Da Kurt Heuser wegen eines Vertrags abreisen mußte, blieb nur die Möglichkeit, diese Arbeit noch einmal von Helge und mir zu wiederholen.
Seit meiner Ankunft in Afrika hatte ich noch keine einzige freie Stunde gehabt. Jeden Morgen standen wir um sechs Uhr auf und arbeiteten meist mit einer kurzen Pause bis Mitternacht. Es war nicht nur die Suche nach den Motiven und Darstellern, es waren auch zu viele schriftliche Arbeiten auszuführen: Dispositionen, Zeitpläne, Kostenvoranschläge, Versicherungs- und Zollangelegenheiten, Gesuche für die Drehgenehmigung der Tieraufnahmen in den Nationalparks und ähnliches mehr. Zu meiner eigentlichen Aufgabe, der künstlerischen Arbeit, war ich in den drei Monaten nicht einen Augenblick gekommen. Ich brannte darauf, endlich mit den Dreharbeiten zu beginnen.
Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Immer wieder verzögerte sich unsere Abreise. Sämtliche Fahrzeuge mußten vor der großen Reise überholt und diverse Ersatzteile noch besorgt werden.
Dazu kam ein Schreckschuß. Die Safari-Gesellschaft fiel mir unerwartet in den Rücken. George Six, den wir den ganzen Tag nicht gesehen hatten, ließ mir durch einen Boten einen Brief überbringen. Er teilte darin mit, daß nach Rücksprache mit den zwei anderen Direktoren seiner Gesellschaft beschlossen wurde, unsere Safari zu stoppen. Begründung: Sie hätten sich mit ihren Kosten verkalkuliert und widerriefen alle Zusagen. Sie verlangten ihre üblichen Preise, die dreimal so hoch waren, wie vertraglich vereinbart, und die wir unmöglich zahlen konnten. Das war glatte Erpressung. Ich selbst konnte mir diese neue Lage nur so erklären, daß Six zwar besten Willen gehabt hatte, daß sich aber für ihn durch die schweren Verluste, die vor allem durch das Zusammenbrechen der Autos entstanden waren, Differenzen mit den anderen Direktoren ergeben hatten. Unglücklicherweise war Stan, der wichtigste Direktor der Gesellschaft, nicht erreichbar. Er befand sich in Tanganjika auf einer Safari irgendwo im Busch.
Nach heftigen mehrstündigen Auseinandersetzungen, die ich mit Six und den zwei anderen Direktoren hatte, erhielt ich die Zusage, wir dürften uns noch so lange in den Zelten aufhalten, bis durch Stan eine letzte Entscheidung gefällt worden war.
Unser Lager war am Rande von Nairobi aufgeschlagen. Die Boys meuterten, weil sie bei starkem Regen ohne Zelte schlafen mußten. Nur mühsam konnte ich eine Rebellion verhindern. Auch die Stimmung meiner eigenen Mitarbeiter war katastrophal. Heinz Hölscher, mein Kameramann, erkrankte, die übliche Tropenkrankheit, Fieber und Durchfall. Es sah hoffnungslos aus, wenn nicht ein Wunder geschehen würde.
Ein Wunder geschah nicht, aber es gab noch einmal eine Rettung. Stan hatte sich über Radio gemeldet, und ich konnte ihn sprechen. Er ordnete sofort an: die Safari wird fortgesetzt. Unsere bisherigen Verträge sollten gültig bleiben und fällige Zahlungen bis Ende des
Jahres zinslos gestundet werden. In wenigen Wochen nach Beendigung seiner Safari würde er zu uns nach Uganda kommen und dort die Expeditionsleitung selbst übernehmen.
Endlich Aufbruch nach Uganda. Inzwischen war es der 16. November geworden. Als unsere Wagenkolonne Nairobi verließ, ereilte uns ein Mißgeschick. Helge Pawlinin war schwer erkrankt. Er weigerte sich, in Nairobi zu bleiben, und glaubte, es sei nur eine
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