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Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Titel: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Schwestern führte. Fromm und sentimental, hatte sie ihr Zimmer mit Fluten von weißem Mull dekoriert, die Zaza belächelt hatte. Sie beneidete mich um meine relative Freiheit, und ich glaube, dass ich für sie alle Fröhlichkeit der Welt verkörperte. Sie brachte den Sommer in einem großen, recht schönen, aber düsteren Backsteinschloss zu, das von herrlichen Wäldern umgeben war. In den hohen Tannenforsten, am Hange der Weinberge entdeckte ich einen neuen Herbst aus violetten, orangefarbenen und roten Tönen, das Ganze von Gold überstäubt. Während wir Spaziergänge machten, sprachen wir viel vom Semesterbeginn. Thérèse hatte für sich erwirkt, dass sie mit mir an einigen Vorlesungen über Literatur und Latein teilnehmen durfte. Ich nahm mir vor, sehr fleißig zu sein. Papa hätte gern gesehen, wenn ich Literatur und Jura gleichzeitig belegte, weil das ‹immer von Nutzen› sein könne: Aber ich hatte in Meyrignac den
Code civil
überflogen, und die Lektüre hatte mich abgestoßen. Hingegen riet einer meiner naturwissenschaftlichen Lehrer mir an, es mit allgemeiner Mathematik zu versuchen, und der Gedanke verlockte mich; ich nahm mir vor, mich am ‹Institut catholique› darauf vorzubereiten. Was die Literatur anbetraf, war auf Monsieur Mabilles Rat hin beschlossen worden, dass wir Kurse in dem in Neuilly von Madame Daniélou geleiteten Institut belegten: Unsere Beziehungen zur Sorbonne würden sich demgemäß auf ein Minimum beschränken. Mama hatte sich mit Mademoiselle Lambert, der Hauptmitarbeiterin von Madame Daniélou, unterhalten: Wenn ich eifrig weiterarbeitete, würde ich es sehr wohl zur Befähigung für das höhere Lehramt bringen können. Ich bekam einen Brief von Zaza: Mademoiselle Lejeune hatte an ihre Mutter geschrieben, um sie auf die abscheuliche Deutlichkeit der griechischen und lateinischen Klassiker hinzuweisen; Madame Mabille hatte geantwortet, sie fürchte für eine jugendliche Phantasie eher die Fallstricke der Romantik als zu viel Realismus. Robert Garric, unser künftiger Literaturprofessor, ein glühender Katholik von einer über jeden Verdacht erhabenen Geistigkeit, hatte Herrn Mabille die Versicherung gegeben, dass man sein Staatsexamen machen könne, ohne sein Seelenheil zu gefährden. So wurden alle meine Wünsche wahr: Ich würde das Leben, das sich mir auftat, wieder mit Zaza teilen.
    Ein neues Leben, ein anderes Leben: Ich war bewegter als am Tage vor meinem Eintritt in den Kursus Null. Auf dürre Blätter gelagert, den Blick von den leidenschaftlich flammenden Farben der Weinberge erfüllt, sprach ich mir immer wieder die großen Worte ‹Staatsexamen›, ‹Lehrbefähigung› vor. Alle Schranken, alle Mauern schienen niederzusinken. Die Zukunft war nur noch Hoffnung, und ich rührte bereits an sie. Vier oder fünf Studienjahre und dann eine Existenz, die ich mir selbst gestalten würde. Mein Leben würde eine schöne Geschichte sein, die in dem Maße zur Wahrheit wurde, wie ich sie mir selbst erzählte.

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    Dritter Teil
    III
    Ich eröffnete meine neue Existenz damit, dass ich die Treppen der Bibliothek Sainte-Geneviève erstieg. Dort setzte ich mich in den für Leserinnen reservierten Teil an einen großen, gleich denen des Cours Désir mit schwarzem Moleskin bedeckten Tisch und vertiefte mich in die
Comédie humaine
oder in die
Mémoires d’un homme de qualité
. Mir gegenüber blätterte im Schatten eines großen mit Vögeln beladenen Hutes eine Dame reiferen Alters in verjährten Bänden des
Journal officiel
: Sie sprach halblaut mit sich selbst und lachte vor sich hin. Zu jener Zeit war der Eintritt in den Lesesaal frei; viele Verrückte und bessere Pennbrüder flüchteten sich dorthin; sie hielten Selbstgespräche, summten vor sich hin und kauten an Brotkrusten herum; es gab einen, der mit einem Papierhut auf dem Kopf unaufhörlich auf und ab ging. Ich fühlte mich sehr weit dem Studiensaal des Cours Désir entrückt: Endlich hatte ich mich in das Gewühl der Menschheit hineingestürzt. ‹Es ist so weit: Ich bin Studentin!›, sagte ich fröhlich zu mir selbst. Ich trug ein schottisches Kleid, das ich zwar selbst gesäumt hatte, aber es war neu und nach meinen Maßen gemacht; während ich Kataloge wälzte und geschäftig hin und her ging, glaubte ich ein sehr reizvoller Anblick zu sein.
    In jenem Jahr standen auf dem Programm Lukrez, Juvenal, das
Heptameron
und Diderot. Wäre ich so unwissend geblieben, wie meine Eltern es immer gewünscht

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