Memoria
vorderen der Angreifer ins Visier zu bekommen, als von rechts ein Streifenwagen auf den Parkplatz fuhr. Die Killer sahen ihn ebenfalls, und als einer von ihnen seinen Lauf verlangsamte, um auf die Polizisten zu schießen, blieb Jules stehen, ließ sich auf ein Knie fallen und feuerte fünf schnelle Schüsse ab. Zwar traf sie nicht, aber der Angreifer war gezwungen, hinter der Ecke des Gebäudes an der Westseite der Wartungsstraße in Deckung zu gehen.
Der andere rannte weiter, wobei er sich im Schutz einer Reihe Fahrzeuge hielt. Er steuerte geradewegs auf die Ausfahrt des Parkplatzes zu – und damit auf den Ford Explorer.
Bei Jules schrillten alle Alarmglocken.
Sie rannte weiter, während der Streifenwagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Zwei Polizisten sprangen heraus und bezogen Position hinter ihrem Wagen, aber der Fahrer wurde von einer Kugel getroffen und ging zu Boden, ehe er in Deckung gehen konnte. Jules verlangsamte ihren Lauf und zielte auf den Mann, der den Cop niedergeschossen hatte, doch es waren zu viele Zivilisten in der Nähe, sie konnte keinen Schuss riskieren. Sie musste weiterrennen. Der Angreifer, der am Rand des Parkplatzes entlang auf Tess zusteuerte, näherte sich jetzt schnell dem Geländewagen.
Jules sah sich nach beiden Seiten um. Sie hatte keine Chance, Tess zuerst zu erreichen – sie wäre dem Gegner geradewegs in den Weg gerannt. Der Mann lief schnurstracks auf den Wagen zu. Er schien zu wissen, dass Tess und Alex darin saßen, vermutlich weil Tess nicht in einer Parklücke stand, sondern an der Ausfahrt wartete. Während sie beide aus verschiedenen Richtungen auf den Explorer zurannten, sah Jules, wie der Latino mit der Pistole darauf zielte. Aber auch jetzt waren zu viele Menschen und Fahrzeuge zwischen ihnen, als dass sie auf ihn hätte schießen können.
Stattdessen schwenkte sie nach rechts, sprang auf die Motorhaube eines parkenden Autos und von dort aufs Wagendach, um freie Schusslinie zu haben. Sie zielte, die Pistole in beiden Händen, und wollte gerade abdrücken, als von rechts mehrere Kugeln durch die Luft pfiffen. Der zweite Verfolger hatte sie ins Visier genommen. Eine Kugel streifte sie an der Schulter, und sie verlor das Gleichgewicht, stürzte vom Wagendach und schlug hart auf den Asphalt auf. Die Pistole glitt ihr aus den Händen. Der Mann, auf den sie eben hatte schießen wollen, war jetzt nur noch knapp zwanzig Meter von ihr entfernt und ging zum finalen Angriff über.
Jules suchte auf allen vieren nach ihrer Pistole, spähte unter die umstehenden Fahrzeuge und warf dabei immer wieder rasche Blicke zu dem näher kommenden Killer. Sie sah, wie sich im Vorgeschmack des Tötens ein boshaftes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete – und dann hörte sie hinter sich lautes Reifenquietschen. Als sie herumfuhr, sah sie ihren Explorer im Rückwärtsgang geradewegs auf sich zurasen.
Sie rollte sich seitlich aus dem Weg, und schon kam der Wagen mit kreischenden Reifen schlitternd neben ihr zum Stehen.
Jules wartete nicht auf eine schriftliche Einladung.
Sie riss die hintere Tür auf und warf sich auf den Rücksitz.
«Weg hier!», rief sie.
Tess hatte schon den Vorwärtsgang eingelegt und trat das Gaspedal durch. Als sie durch die Ausfahrt rasten, sah Jules sich noch einmal nach dem Verfolger um. Er machte bereits kehrt und verschwand in der Menge.
Während Tess mit hoher Geschwindigkeit auf den Park Boulevard einbog und den Balboa Park hinter sich ließ, versuchte Jules sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass es auf dem Gelände bald von Polizisten wimmeln würde. Sie würden sich um die Gangster kümmern. Dennoch war sie nicht sicher, ob sie richtig gehandelt hatte. Sie schloss die Augen, um die Frage in Ruhe zu überdenken.
Wie auch immer, Alex und Tess waren in Sicherheit.
Das zählte doch wohl einiges.
Kapitel 45
Ich konnte wieder atmen.
Tess und Alex waren außer Gefahr. Jules hatte sie direkt vom Balboa Park aus ohne Zwischenstopp im Hotel sicher zu einem geheimen Unterschlupf des FBI gelotst. Villaverde hatte ein paar Agenten beauftragt, ihre Sachen aus der Suite zu holen und dorthin zu bringen; einer würde zusätzlich noch zur Sicherheit bei ihnen bleiben. Ich versprach Tess, so bald wie möglich zu ihr zu kommen. Vorher musste ich noch mit Munro in Villaverdes Büro, um über Pennebakers Enthüllungen zu sprechen.
«Es muss jemand sein, der Navarro nahestand», spekulierte Munro. «Jemand, der wusste, worauf er aus war, und der jetzt
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