Memoria
es noch immer von Tagesausflüglern aus Ferienlagern, Reisebussen mit ein- oder aussteigenden Touristengruppen, Eltern, die ihren Kleinkindern aus Geländewagen halfen, und händchenhaltenden Pärchen mit Picknickkörben, die alle das herrliche Wetter genossen. Jules war sich bewusst, dass sie nicht schneller gehen durfte, als ein aufgeregter Vierjähriger laufen würde, aber sie nutzte dabei jede mögliche Deckung: Seniorengruppen, größere Fahrzeuge und Familien, die darüber stritten, was sie zuerst sehen wollten. Als sie auf den breiten Gehweg trat, der an den geparkten Fahrzeugen entlangführte, mischte sie sich unter eine große Touristengruppe.
Sie unterdrückte den Drang, sich umzuschauen. Die Verfolger wussten sicher, wie Alex aussah – vielleicht hatten sie sogar ein Bild von Tess –, aber sie selbst konnten sie unmöglich kennen. Es würde nicht leicht für sie sein, in einer Menschengruppe in Bewegung einen vierjährigen Jungen auszumachen. Jules musste darauf vertrauen, dass die Männer nicht bemerkten, dass sie einer falschen Fährte folgten – wenigstens so lange, bis es keine Rolle mehr spielte.
Nach weiteren hundert Metern nutzte sie eine Baumgruppe als Deckung und spähte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Und tatsächlich, die Männer kamen auf sie zu, den Blick abwechselnd auf das Handy und auf die große Touristengruppe gerichtet, die sich langsam von dem Museum entfernte.
Als Jules den Schutz der Bäume wieder verließ und die Rampe zum Marie Hitchcock Puppet Theater hinaufging, entdeckte sie etwas, das für ihre Zwecke hervorragend geeignet war. Gerade entfernte sich ein elektrischer Buggy mit zwei älteren Damen im Schneckentempo vom Theater. An der Seite prangte der Schriftzug SAN DIEGO ZOO .
Der Zoo lag ganz am anderen Ende des Parks, und offenbar war der Wagen auf dem Weg dorthin. Jules warf einen Blick zurück, stellte fest, dass sie außer Sicht ihrer Verfolger war, und rannte auf den Buggy zu.
Als sie ihn erreichte, verlangsamte sie ihren Schritt und machte den Fahrer auf sich aufmerksam.
«Entschuldigen Sie», sagte sie und gab ihm Zeichen anzuhalten.
Er bremste.
«Kommen Sie wieder hierher zurück?», erkundigte sie sich lächelnd. «Ich bin mit meinen Großeltern hier, und es wäre ganz angenehm für sie, zum Zoo fahren zu können.»
Der Fahrer des Buggys antwortete, er werde in etwa zwanzig Minuten wieder da sein und sie abholen. Jules bedankte sich und trat zurück, und als der Buggy wieder anfuhr, ließ sie Tess’ iPhone in einen der Gepäckkörbe hinten am Fahrzeug fallen. Dann zog sie sich wieder in den Schutz der Bäume zurück und wartete.
Kaum zwanzig Sekunden später kamen die beiden Männer in etwa zehn Meter Entfernung vorbei und folgten weiter dem GPS -Signal des iPhone. Aufs äußerste gespannt, beobachtete Jules sie, bis sie vorbei waren, dann verließ sie ihre Deckung und kehrte um.
Als sie sich nach ein paar Sekunden noch einmal umsah, verschwanden die Verfolger gerade um eine Wegbiegung. Jetzt war Jules außerhalb ihres Sichtfelds. Sie fiel in einen Laufschritt und rannte schließlich auf das Air and Space Museum zu. Bald lag es nur noch ein paar hundert Meter vor ihr. Sie wollte gerade den Weg zu dem Parkplatz einschlagen, auf dem sie ihren Wagen abgestellt hatte – einen Fußweg entlang einer Betriebsstraße zwischen zwei großen Verwaltungsgebäuden –, als sie plötzlich stehen blieb.
Da war noch ein dritter Verfolger.
Nicht mehr als dreißig Meter entfernt, ganz am Rand des Parkplatzes, stand ein Latino neben einem schwarzen Geländewagen, einem Chevy Tahoe – dem gleichen, den sie auf dem Überwachungsvideo aus dem Streifenwagen des erschossenen Deputy gesehen hatte. Auch dieser Mann hatte ein Kabel am Ohr.
Im selben Moment, als sie ihn bemerkte, drehte er sich um, und für einen Sekundenbruchteil trafen sich ihre Blicke. Beiden war augenblicklich klar, dass der andere sie bemerkt hatte. Und das bedeutete, der Mann konnte sich jetzt denken, dass Tess und Alex nicht da waren, wo seine Komplizen sie vermuteten.
Jules hatte keine Möglichkeit, Tess zu warnen. Ihr Handy befand sich gerade auf halbem Weg zum Zoo.
Ihr blieb keine Zeit nachzudenken. Sie wusste nur eins: Sie durfte nicht zulassen, dass der Kerl die anderen verständigte, aber wenn sie ihre Waffe zog, würde die Situation im Handumdrehen außer Kontrolle geraten. Also tat sie das Einzige, was ihr einfiel.
Sie rannte aus Leibeskräften auf den Mann zu.
Sie sah, wie
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