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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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tief durch. Die beiden traten von dem Stuhl zurück, und Navarro stellte sich vor mich.
    «Sie haben mir in diesem Leben eine Menge Scherereien bereitet, und es fehlte mir gerade noch, dass Ihre Seele mir in Zukunft noch mehr Ärger macht. Denn wenn Sie sterben, wird Ihre Seele den Körper verlassen und in einen neuen Körper eintreten. Sie wird von einem Leben ins nächste übergehen. Aber die Seele kann auch gänzlich vernichtet werden, wenn sie den Körper verlässt und keinen Weg zurück findet. Wenn sie solchen Schmerz leidet, dass der einzige Ausweg ist zu erlöschen. Wie wenn jemand eine Kerzenflamme löscht.»
    Er hielt die Schale hoch.
    «Das hier wird Ihre Seele zwingen, den Körper zu verlassen. Dann wird es Ihre Seele mit so brutaler Gewalt angreifen, dass die einzige Möglichkeit, die Qual zu beenden, ihr eigenes Ende ist. Wenn Ihre Seele vor Ihrem Körper stirbt, ist die Verbindung zwischen der Welt der Seelen und der körperlichen Welt für immer durchbrochen. Die Kette von Geburt und Tod ist damit für Sie zu Ende. Sie wird jetzt enden. Bald wird selbst die schwärzeste Finsternis Sie nicht mehr erreichen.»
    Er begann, in der Mixtur zu rühren.
    «Ich weiß, Sie glauben wahrscheinlich kein Wort. Ich kann selbst nicht wissen, ob es wahr ist oder nur der naive Glaube des Schamanen, der es mich gelehrt hat. Aber im Grunde kommt es ja nur darauf an, dass Sie … tot sind. So oder so. Das genügt mir.»

Kapitel 66
    Ich fühlte den Druck des Schlauchs im Rachen. Der Würgereflex war fast übermächtig, aber ich zwang mich, ihn zu unterdrücken und ruhig zu atmen. Navarro hörte auf, in der senfgelben Mixtur zu rühren, und nickte zufrieden. Offenbar war sein Werk vollbracht. Stephenson beobachtete ihn ebenfalls. Sein Gesicht war weiß, und ihm war der Angstschweiß ausgebrochen.
    Kurz: Wir waren am Arsch. Es gab keinen Ausweg. Tess und Alex würden sterben – und zwar nicht schnell und schmerzlos –, und selbst dann würde das alles wahrscheinlich kein Ende haben. Die Bestie würde sicher auch auf Kim Jagd machen. Navarro zahlte es mir wirklich heim. Mit Zinsen.
    Ich schloss kurz die Augen, und unvermittelt kam mir der Gedanke, dass ich einen Priester wollte. Die Vorstellung verschaffte mir etwas Frieden. Navarro musste die Veränderung in meinem Ausdruck bemerkt haben, auch wenn der Schlauch meine untere Gesichtspartie verzerrte. Er betrachtete mich forschend. Einen Moment lang fragte er sich wohl, warum ich mir nicht in die Hose machte und um mein Leben bettelte. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen – nachdem ich gesehen hatte, was er Wook und Torres angetan hatte, war ich ziemlich sicher, dass ich bei der ersten Gelegenheit zum wimmernden Häufchen Elend werden würde.
    Am meisten schmerzte mich, dass ich mich nicht einmal von Tess verabschieden konnte.
    «Bereit?», fragte er, als ob ein Nein irgendetwas geändert hätte.
    Er hob das Ende des Schlauchs und begann, die zähe Flüssigkeit hineinzugießen. Ich sah, wie sie langsam darin hinunterlief. Binnen Sekunden würde sie in mir sein und, wie ich mir ausrechnete, binnen Minuten ins Blut gehen. Es gab nichts, was ich dagegen tun konnte, keine großartige Ninja-Kunst, mit der ich meine Arme befreien und meine Peiniger in Sekundenschnelle ausschalten konnte, also rang ich mit mir, das zu akzeptieren. Ein seltsamer Gedanke tauchte auf – zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich mir, ich hätte mir in meiner College-Zeit die Haare etwas wachsen lassen. Und vielleicht wenigstens einmal Halluzinogene ausprobiert, damit ich zumindest eine Ahnung davon gehabt hätte, was mir nun bevorstand. Vielleicht hätte das die Angst, die ich jetzt empfand, ein wenig gedämpft. Und eine neue Frisur würde ich wohl auch nicht mehr bekommen.
    Ich starrte auf die zähe Flüssigkeit, die langsam durch den Schlauch rann, als plötzlich ein ohrenbetäubender Knall die Luft zerriss, begleitet von einem natriumweißen Aufflammen.
    Wamm.
    Der ganze Raum bebte.
    Navarro ließ die Tonschale fallen und fuhr entgeistert herum –
    Unmittelbar auf die erste folgte eine weitere Explosion. Ich nahm alle Kraft zusammen, die mein geschundener Körper noch aufzubringen imstande war, und warf mich mit meinem ganzen Gewicht nach links. Der Stuhl wackelte und kippte um. Im selben Moment flog etwas durch das Fenster herein, und eine Betäubungsgranate erfüllte den Raum mit blendend grellem Licht.
    Der Lärm einer dritten Explosion wurde augenblicklich vom Rattern von

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