Memoria
scharten, half ich den Sanitätern, Michelle herauszuheben und auf eine Trage zu betten. Dabei hielt ich Alex dicht an meiner Seite und drückte seine Hand, während ich mich bemühte, ihn nicht mitansehen zu lassen, wie die Sanitäter am Fahrbahnrand Michelle versorgten.
Die Satzfetzen, die ich aufschnappte, klangen nicht beruhigend.
«Sie hat starke innere Blutungen», teilte einer der beiden mir schließlich mit, während er an ihrem Arm nach einer Vene suchte, um ihr eine zweite Infusion zu legen. «Ich kann noch nicht sagen, welche Organe betroffen sind, aber hier können wir nichts für sie tun. Sie muss operiert werden.»
In diesem Moment begannen irgendwelche Überwachungsgeräte wild zu piepsen, und der andere Sanitäter rief: «Kreislaufzusammenbruch.» Sofort war sein Kollege zur Stelle, und beide arbeiteten fieberhaft; einer begann mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung, während der andere sich daranmachte, einen Beatmungsschlauch zu legen. Ich trat ein wenig zurück und beobachtete schweigend und wie betäubt, wie die beiden um Michelles Leben kämpften. Jedes Mal, wenn sie unter der Herzdruckmassage zuckte, krampfte sich mein ganzer Körper zusammen. Ich hielt Alex so, dass er nicht sehen konnte, was vor sich ging, und hoffte wider alle Vernunft, sie könnten Michelle retten. Doch im Grunde war mir klar, dass es nicht gut ausgehen würde. Ich fühlte mich ohnmächtig und hilflos, weil ich nichts tun konnte, um alles in Ordnung zu bringen und sie wieder zu der lebensprühenden, faszinierenden Frau zu machen, die sie gewesen war. Wut wallte in mir auf und pulsierte in meinen Schläfen, bis ich das Gefühl hatte, sie müssten platzen. Dann setzte das Piepsen aus, und auf dem Monitor erschien die Nulllinie. Der leitende Sanitäter wandte sich mit düsterer Miene und einem kurzen Kopfschütteln zu mir, eine Geste, die bis in mein Innerstes drang und mich zu zerreißen schien.
Kapitel 9
«Wie zum Teufel haben die Kerle sie gefunden?»
Wir waren zurück auf der Basis, Villaverde und ich, was in diesem Fall hieß, in seinem Büro in der obersten Etage der FBI -Dienststelle von San Diego, einem flachen, dreistöckigen Gebäude aus Glas und Beton ein paar Meilen östlich von Montgomery Field. Nach dem Vorfall hatte ich noch Stunden damit zugebracht, einigen Mordermittlern die Ereignisse zu schildern und die Männer vom Überfallkommando zu beschreiben, so gut ich konnte. Jetzt war ich erschöpft, unsäglich wütend, mein Kopf war schwer und meine Gedanken zäh, als habe jemand meinen Schädel mit Molasse vollgepumpt.
«Vielleicht sind sie ihr vom Haus aus gefolgt», spekulierte Villaverde, der an die Schreibtischkante gelehnt stand. Er war groß und schlank, und mit seiner reinen, olivfarbenen Haut und dem zurückgekämmten rabenschwarzen Haar gab er ein leibhaftiges Aushängeschild für das FBI ab. Ich konnte mir denken, dass die Schlipsträger ihn schätzten, und fairerweise musste ich einräumen, dass er nach meinem bisherigen Eindruck tatsächlich ein aufrechter, tüchtiger Kerl zu sein schien.
«Sie sagte, dass sie nicht verfolgt wurde», widersprach ich gereizter, als es angebracht war. «Michelle war gut. Sie hätte etwaige Verfolger bemerkt. Erst recht nach allem, was vorgefallen war. Sie hat ja damit gerechnet.»
«Was ist mit ihrem Handy?»
«Nach dem Telefonat mit mir hat sie den Akku rausgenommen.»
«Vielleicht hat sie vom Hotel aus noch jemand anderen angerufen?»
Ich schüttelte heftig den Kopf. «Auf keinen Fall. Michelle war ein Profi. Sie wäre niemals ein solches Risiko eingegangen.»
Villaverde zuckte die Schultern. «Nun, wir werden es bald erfahren. Wenn sie von ihrem Zimmer aus jemanden angerufen hat, ist es ja registriert worden.»
Eine weitere Möglichkeit ließ mir keine Ruhe.
«Was denken Sie, wie viele Hotels und Motels gibt es da draußen beim Flughafen?»
«Ich weiß es nicht, jedenfalls nicht allzu viele. Warum? Denken Sie, dass sie sie so ausfindig gemacht haben? Indem sie alle Hotels abgeklappert haben?»
«Als sie mich vom Einkaufszentrum aus anrief, sagte Michelle, sie wolle in einem Hotel in der Nähe des Flughafens auf mich warten. Wenn diese Typen ihr Handy gehackt und diesen Anruf abgehört haben … dann brauchten sie doch nur nach einer Frau mit einem kleinen Kind ohne Gepäck und ohne Kreditkarte zu suchen. Vielleicht hatten sie einfach Glück.»
«Tja, wenn es so war, könnte es – je nachdem, wie sie es gemacht haben – Spuren auf ihrem Handy
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