Memoria
Walker zu. Eine Welle der Anspannung lief durch den Raum. Die übrigen Biker richteten sich auf und rückten drohend ein wenig vor, offenbar zum Kampf bereit. Navarros zwei Begleiter taten dasselbe.
Ohne sich nach ihnen umzusehen, bedeutete Navarro seinen Männern mit einer kleinen Handbewegung, sich zurückzuhalten. Dabei musterte er Walker mit einem seltsamen Lächeln.
«Meinetwegen?»
«Sie hätten mir von Anfang an sagen sollen, dass das Flittchen einen verdammten FBI -Typen als Freund hat», zischte Walker.
Navarro blieb ruhig. «Nun, Sie wussten, dass sie früher bei der DEA war. Und wenn Sie und Ihre
babosos
nicht so jämmerlich versagt hätten, dann wäre der Freund nie in Erscheinung getreten. Oder irre ich mich?»
Etwas an der Art, wie der Mexikaner redete, stieß tief in Walkers Gedächtnis eine Erinnerung an. Er hätte nicht sagen können, was es war, aber es bereitete ihm Unbehagen. Wie auch immer, der Mann stand hier und zog vor Walkers versammelter Mannschaft vom Leder, und das in seinem eigenen verdammten Clubhaus. Das hatten bisher nicht viele gewagt, und noch keinem war es gut bekommen.
«Jetzt hör mir mal zu, du Hurensohn von einem Tacofresser. Ich weiß nicht, in was du da reingeraten bist oder worum zum Teufel es hier eigentlich geht, aber eins weiß ich: Wir sind draußen. Und ich rate dir, hol deinen beschissenen Seelenklempner aus meinem Keller, zahl mir das restliche Geld und geh mir aus den Augen, solange ich noch in gnädiger Stimmung bin.»
Walker durchbohrte den Mexikaner mit dem Blick. Angespanntes Schweigen lastete auf dem ganzen Raum. Aus dem Augenwinkel sah er, dass seine Männer bereitstanden, um bei jedem Anzeichen von Bedrohung einzugreifen. Sie waren sechs gegen drei Mexikaner im Raum und einen weiteren draußen – eine Überlegenheit, mit der Walker mehr als zufrieden war. Ihm war klar, dass die Gorillas des Mexikaners bewaffnet sein mussten, aber seine eigenen Jungs waren auch nicht nur zum Bingospielen da. Ihre Pistolen saßen ebenfalls locker.
Der Mexikaner schien die Lage ähnlich einzuschätzen, und nach kurzer Überlegung entspannte sich seine Haltung. Dann breitete er in einer brüderlichen, versöhnlichen Geste die Arme aus und zuckte die Schultern.
«Ich verstehe ja, dass Sie jetzt wütend auf mich sind. Würde mir genauso gehen. Aber wir haben schon früher gut zusammengearbeitet, und es wäre doch schade, wenn wir das jetzt wegen dieser Sache über Bord werfen und uns die Möglichkeit verbauen, in Zukunft wieder gut zusammenzuarbeiten. Also reichen wir uns die Hände, legen wir diese unselige Geschichte zu den Akten und blicken nach vorn, ohne einander etwas nachzutragen. Einverstanden,
amigo?
»
Walker beäugte ihn skeptisch. Der Mexikaner sah ihn nur mit offenem, herzlichem Blick an.
Der Mann hatte in der Vergangenheit tatsächlich gutes Geld für relativ leichte Arbeit gezahlt, und der Pragmatiker in Walker fand, eine solche Option sollte man sich für die Zukunft offenhalten. Außerdem würde der Club durch die Schießerei schon genug in Schwierigkeiten geraten, da konnte Walker nicht noch vier Leichen und jede Menge Spuren gebrauchen, die er beseitigen müsste, ganz abgesehen davon, dass womöglich die
compadres
des Mexikaners von südlich der Grenze ihm die Hölle heißmachen würden.
Walker nickte. «Einverstanden.»
Der Mexikaner breitete die Arme noch weiter aus und sah ihn mit einem halb vorwurfsvollen, halb erleichterten Ausdruck an, dann trat er auf Walker zu und streckte ihm beide Arme zum Händedruck entgegen.
Walker kam ihm achselzuckend einen Schritt entgegen und streckte ebenfalls die Hand aus.
Er blickte seinem Gegenüber in die Augen, und wieder regte sich dieselbe Erinnerung bei dem Biker, während der Mexikaner beide Hände fest um seine Rechte schloss. In diesem Moment verhärtete sich der Blick des Mannes, und als Walker den düsteren Abgrund dahinter erkannte, wurde ihm klar, dass er schon früher in diese Augen geschaut hatte. Gleich darauf fühlte er, wie etwas Scharfes in die Innenseite seines Handgelenks schnitt.
Augenblicklich breitete sich ein heftiges Brennen in seiner Haut aus. Walker zuckte zusammen und versuchte seinen Arm mit einem Ruck zurückzuziehen, doch der Mexikaner hielt sein Handgelenk noch einen Moment lang fest umklammert, während sein eisiger Blick sich tiefer in ihn bohrte. Dann riss Walker sich los.
Er betrachtete verwirrt und in einem Anflug von Zorn sein Handgelenk und sah eine Spur Blut
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