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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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nach diesem Scrape.»

Kapitel 25
    Ich traf nicht als Erster ein.
    Bei weitem nicht. Als ich von der El Cajon abbog und mich ein Meer von Blinklichtern empfing, befiel mich das niederschmetternde Gefühl, dass wir alle zu spät kamen.
    Zwei Streifenwagen und mehrere zivile standen bereits kreuz und quer vor der Motorradwerkstatt, und hinter mir trafen gerade noch eine Streife und ein Rettungswagen ein. Ein paar Polizisten versuchten, den Straßenabschnitt mit gelbem Absperrband zu sichern und die wachsende Menge der Gaffer zurückzuhalten, doch sie waren hoffnungslos in der Unterzahl.
    Ich fuhr so nah wie möglich heran, dann ließ ich den Wagen stehen und lief auf das Gebäude zu. Als einer der Uniformierten mich aufhalten wollte, zückte ich im Gehen meine Dienstmarke. Ich traf Villaverde auf der anderen Seite des Garagenhofs an, vor einem Eingang, der anscheinend zum Clubhaus führte. Er sprach gerade mit ein paar Männern vom Sheriff’s Department und mehreren Schraubern in Blaumännern. Als er mich bemerkte, unterbrach er das Gespräch und kam auf mich zu.
    «Was ist passiert?», fragte ich.
    «Da drin», erwiderte er nur und ging voran. Dabei wies er mit dem Daumen auf die Mechaniker. «Ein Anwärter des Clubs hat sie gefunden und den Vorfall gemeldet. Kein schöner Anblick.»
    Anwärter waren Kandidaten für die Aufnahme in den Club, Möchtegern-Brüder, die sich erst bewähren mussten und noch nicht die Clubabzeichen tragen durften.
    Villaverde führte mich durch eine Tür an der Seitenwand des einstöckigen Gebäudes in das Clubhaus der Gang.
    Oder eher in ihr Schlachthaus.
    Ich zählte insgesamt sechs Leichen, die in dem großen Raum verteilt lagen. Fünf von ihnen waren erschossen worden und lagen einfach nur da, in bizarr verdrehter Haltung, ein Inbild des Todes. Schnelle, professionelle Arbeit, jeder wies zwei oder drei Einschusswunden auf und eine weitere zwischen den Augen, den Fangschuss. Die Leichen und die Schusswunden sahen noch frisch aus. Alle Toten trugen ihre Motorradwesten.
    Die sechste Leiche war ein Fall für sich.
    Es handelte sich um einen großen, kräftigen Mann mit buschigem Spitzbart und langem, fettigem Haar. Er lag mitten im Raum ausgestreckt auf dem Rücken. Wie die anderen trug auch er seine Weste und war durch einen Schuss zwischen die Augen getötet worden. Außerdem fehlten an einer Hand zwei Finger. Ich entdeckte sie ein Stück entfernt, weggeworfen wie Zigarettenkippen. Doch was meinen Blick auf sich zog, war der Unterleib. Die Hose war heruntergezogen und der Penis abgeschnitten. An seiner Stelle war eine einzige blutige Masse geblieben, und eine große Blutlache hatte sich zwischen den Beinen bis hinunter zu den Füßen ausgebreitet.
    Mein Magen drehte sich um, und meine Eingeweide krampften sich zusammen. Ich sah mich lieber nicht um, wo dieser Körperteil gelandet war. Stattdessen warf ich einen Blick zu Villaverde.
    Sein Gesichtsausdruck verriet, dass in ihm dasselbe vorging wie in mir.
    In dieses Spiel war ein neuer Akteur eingetreten.
    Wir mussten unseren Fall auf einer völlig neuen Ebene einordnen.
    Nachdem mein Magen sich wieder ein wenig beruhigt hatte, fragte ich: «Haben die Jungs in der Werkstatt irgendwas beobachtet?»
    Villaverde zuckte die Schultern. «Der Bursche, der den Vorfall gemeldet hat, sah ein Auto davonfahren, kurz bevor er hier reinkam. Eine dunkle Limousine, schwarz, mit getönten Scheiben. Ein großes Auto, wie ein Escalade, aber er meint, es war kein Caddy.» Er schwieg kurz, dann fügte er hinzu: «Das hier müssen Sie sich auch noch ansehen.»
    Während er voranging, ließ ich den Blick durch den Raum schweifen. An der Seitenwand hinter einer Ledercouch war das Clubabzeichen großformatig aufgemalt, dasselbe Abzeichen, das ich als Tätowierung an Flammentattoos Schulter gesehen hatte. Es gab eine Bar, ein Klavier, dahinter anscheinend einen Besprechungsraum, und auffälligerweise hingen neben einem Türrahmen mehrere Baseballschläger. Dann bemerkte ich noch etwas. An der hinteren Wand, hinter einem Poolbillard-Tisch. Eine ganze Anzahl gerahmter Fotos.
    «Augenblick», sagte ich zu Villaverde.
    Ich durchquerte den Raum, um mir die Bilder aus der Nähe anzusehen.
    Es waren mehrere gestellte Fotos aus einem Kriegsgebiet, die Sorte Bilder, mit denen man mittlerweile nur allzu vertraut war: schlachtenmüde Soldaten, die in die Kamera grinsten und mit den Fingern das V-Zeichen bildeten, das Ganze in einer kargen Wüstenlandschaft. Eins der Bilder

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