Memoria
selbst zu überlassen. Er zückte den Bleistift und kritzelte etwas auf das Klemmbrett. «Ich denke, so lange kann ich die Sache noch aufschieben. Ich mache mir eine Notiz, dass ich in ein paar Wochen noch einmal vorbeikomme. Danke vielmals für die Auskunft.»
Die Frau lächelte ihn an und schloss die Tür.
Perrini ging zurück zu seinem Wagen und rief von seinem eigenen Handy Guerras abhörsichere Leitung an. Er wusste, dass der Mexikaner den Anruf nicht annehmen würde, wenn seine Firewall den Anrufer nicht identifizieren konnte.
Guerra meldete sich sofort.
«Haben Sie sie gefunden?»
Guerras militärisch schroffe Art ärgerte Perrini immer wieder, auch wenn er wusste, dass der Mann früher Oberst in der mexikanischen Armee gewesen war, ehe er unter nebulösen Umständen den Dienst quittiert hatte.
«Sie ist nicht hier. Sie ist in Arizona, bei ihrer Tante.»
Guerra schwieg einen Moment lang, dann sagte er: «Ich brauche die Bestätigung, dass sie wirklich dort ist. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie sich vergewissert haben.» Dann war die Leitung tot.
Perrini konnte nicht anders, als Guerras brutale Effizienz zu bewundern, auch wenn ihm vieles an dem Mann gegen den Strich ging.
Er ließ den Motor an und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt. Während er auf die Schnellstraße fuhr, rief er Lina Dawetta an, eine Sekretärin des neunten Reviers, mit der er seinerseits eine Beziehung von brutaler Effizienz unterhielt. Sie tat, was immer er von ihr verlangte, damit er ihrem Chef nichts von ihrer Kokainabhängigkeit verriet, sondern sie im Gegenteil mit Stoff versorgte.
Er wusste, dass sie sich nicht querstellen würde. Die letzte Person, die das getan hatte, war mit halb weggeschossenem Gesicht aus dem East River gezogen worden. Und dieser hinterhältige Dreckskerl war immerhin ein Polizist gewesen.
«Ich brauche etwas», sagte er, erklärte, worum es ging, und nannte Ort und Zeitpunkt für ein Treffen.
Kapitel 33
Mittags liefen die Ermittlungen bereits auf Hochtouren. Wir drei waren noch immer auf der Polizeiwache in La Mesa und verhörten gerade die letzten Anwärter der Gang. Villaverde hatte alle verfügbaren Leute draußen in der FBI -Dienststelle darauf angesetzt, Pennebaker ausfindig zu machen. Munros Kollegen in L. A. arbeiteten ebenfalls daran. Auch die ATF beteiligte sich an der Suche. Von dort erhoffte ich mir am ehesten einen Erfolg, aber der ersehnte Durchbruch ließ auf sich warten.
Die Anwärter hatten nicht viel zu sagen. Unter normaleren Umständen hätte mich das nicht gewundert – den Bikerclubs gingen Loyalität und Pflichtbewusstsein über alles. In illegalen Gangs kam die Verpflichtung einem Blutschwur gleich. Die Mitglieder sprachen niemals mit irgendeinem Außenstehenden über Angelegenheiten des Clubs. Normalerweise hätte ich also die Verschwiegenheit der Anwärter darauf zurückgeführt, dass sie die Gelegenheit nutzen wollten, sich der Aufnahme in den Club würdig zu erweisen. Aber in diesem Fall gab es keinen Club mehr. Er war durch die Schießerei im Hauptquartier ausgelöscht worden. Die Mitglieder waren sämtlich tot, deshalb hätten die Anwärter keinen Grund mehr gehabt, sie schützen zu wollen. Woraus ich schloss, dass sie die Wahrheit sagten. Walker und seine Leute hatten sich offenbar darauf verstanden, Dinge geheim zu halten.
Inzwischen wurden auch die aktuellen Vermisstenmeldungen aus der Gegend überprüft, aber es gab keine Übereinstimmungen mit den früheren Entführungsopfern, Wissenschaftlern, Chemikern, Pharmakologen. Wir dehnten die Suche bis nach San Francisco und noch darüber hinaus aus, schließlich über den ganzen Bundesstaat, bislang jedoch ohne Ergebnis.
Einen Hinweis bekamen wir allerdings. Nichts Großes, aber immerhin etwas.
Er stammte aus dem Streifenwagen des Deputy, der Soulpatch/Scrape bei der Grotto in Gewahrsam genommen hatte.
Neuerdings wurden immer mehr Streifenwagen mit Videokameras ausgestattet, die den Innenraum aufnahmen. Das war in vielerlei Hinsicht sinnvoll. Trunkenheitsfahrer verzichteten in überwältigender Mehrheit darauf, die Vorwürfe zu bestreiten, wenn man ihnen mitteilte, dass sie gefilmt wurden. Das ersparte Papierkram und Zeit vor Gericht. Die Erbsenzähler von der Stadtverwaltung liebten sie – die Kameras, nicht die Trunkenheitsfahrer –, weil sie dazu beitrugen, zig Millionen Dollar für Gerichtsverfahren wegen Klagen einzusparen, die ohne die Videoaufnahmen nicht ohne weiteres abgewiesen werden
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