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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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ehrfürchtige Scheu vor dem wundersamen Mönch zu empfinden. Er nahm Pater Hieronymus’ Hand fest in seine faltigen Hände. «Gelobt sei Gott, dass es Euch gutgeht», wiederholte er immerzu, während er sie eine Steintreppe hinauf in das Refektorium des Klosters führte.
    Sie bekamen kaltes Wasser angeboten und verschnauften einen Moment, bevor sie nach draußen ins Tageslicht traten. Auch dieses Kloster erinnerte mit seinen Beigetönen an einen Wüstenplaneten, und obwohl es kleiner war als das soebene verlassene, strahlte es doch ebenso viel Ehrwürdigkeitaus. Viele Oberhäupter der Koptisch-Orthodoxen Kirche hatten hier als Mönche ihre Laufbahn begonnen, so auch der gegenwärtige Papst von Alexandrien, Shenouda   III. Auch dieses Kloster erfreute sich eines religiösen Mythos. Der Leichnam des heiligen Pischoi – dessen Name das koptische Wort für «erhaben» war – wurde hier in einem Holzbehälter verwahrt, der zusätzlich in durchsichtigen Kunststoff gehüllt war. Angeblich hatte ihm die Zeit bis heute nichts anhaben können, und er war noch vollständig erhalten. Die Behauptung ließ sich schlecht überprüfen, da der Behälter in einem Sarg verschlossen lag. Und die von Gläubigen erzählten Geschichten, etwa, wie er ihnen die Hand gereicht hatte, gingen doch eher sorglos mit den physikalischen Gegebenheiten um. Dies war nicht die einzige Reliquie. Gleich daneben lagen die ebenso versiegelten Überreste eines anderen Mönchs namens Paul; dieser Asket hatte sich der Legende nach erfolgreich das Leben genommen.
    Sie gelangten beim Taxi von Yusufs Schwager an. Der heruntergefahrene weiße VW Sharan wartete im Schatten eines kleinen, mit zahlreichen Kuppeln versehenen Baus, in den sich Papst Shenouda gelegentlich zurückzog.
    «Und Sie denken, dass es dort draußen sicher ist?», fragte Gracie den Abt.
    «Es ist verhältnismäßig ruhig hier. Für uns interessiert sich niemand. Bis jetzt.» Er lächelte unbehaglich. «Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.»
    Sie überließen es dem Fahrer und den Mönchen, die Ausrüstung im Transporter zu verstauen, und folgten dem Abtüber den Hof und ein Gewirr schmaler Außentreppen hinauf zur Mauerkrone.
    «Schauen Sie», sagte der Abt, «aber halten Sie sich unten – nur für alle Fälle.»
    Gracie und Dalton spähten geduckt über die Mauer hinweg. Der bekannte Flickenteppich aus Autos und Lastwagen bedeckte die Ebene zwischen den beiden Klöstern, mit einem entscheidenden Unterschied. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf das Kloster, das sie gerade verlassen hatten. Was bedeutete, dass sie eine realistische Chance hatten, sich unbemerkt davonzustehlen.
    Sie gingen wieder nach unten, bedankten sich bei dem Abt und stiegen in das Taxi. Diesmal nahmen Dalton und Gracie Pater Hieronymus in die Mitte, während Bruder Amin auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Als das Tor knarrend aufging, war Gracie einen Moment lang beklommen zumute. Sie riss sich zusammen und drückte das Kreuz durch, als der Fahrer leicht aufs Gas trat und der Sharan in die Wüste hinausrumpelte.
    Es standen nur wenige Autos und Transporter zu beiden Seiten der staubigen Fahrspur, die vom Kloster wegführte. Überall schlugen ein paar Männer mit Rauchen und Reden die Zeit tot. Als das Taxi sich der ersten Gruppe näherte, setzte Gracie Pater Hieronymus die Kapuze seiner Soutane auf. Yusufs Schwager blieb ruhig und versuchte, keine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, als er den Sharan langsam an ihnen vorbeirollen ließ, ohne mehr als einen flüchtigen Blick hinüberzuwerfen.
    Gracie atmete erleichtert aus. Sie hatten nur noch wenigeAutos oder Transporter vor sich. Noch ein paar Minuten, und sie hatten es geschafft. Sie waren keine hundert Meter von den Klostertoren entfernt, als die Straße an einer Mauerruine und einer Handvoll Palmen scharf abknickte. Auch dort standen einige Wagen, und eine Handvoll Männer lehnte sich an die Mauer und schien die Sonne gar nicht zu bemerken. Gracie spürte ein Ziehen im Magen, als der Fahrer abbremste und um die kreuz und quer abgestellten Fahrzeuge herumkurvte. Das schaffte er problemlos – bis ein kleiner Graben sie zum Schritttempo zwang. Ein einzelner Mann, der sich anscheinend die Füße vertreten wollte, kam auf sie zuspaziert. Angespannt versuchte Gracie, nicht zu ihm hinüberzusehen, als der Fahrer so schnell wie möglich weiterfuhr. Sie hatten den Graben fast durchquert, als der Spaziergänger – wie Gracie gefürchtet hatte – neben ihnen war und gerade dann

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