Menetekel
Finchs Leichnam auf eine improvisierte Trage – eine alte Tür, die sie rasch ausgehängt hatten – und trugen ihn ins Innere der großen Kapelle. Vier andere Mönche übernahmen den Rest der Ausrüstung des Nachrichtenteams, und die kleine Truppe folgte dem Abt über den sonnendurchfluteten Hof in die kühle Dunkelheit des Klosters.
Sie trotteten am Eingang der Kirche der Heiligen Jungfrau und am Refektorium vorbei und blieben vor einem uralten, unbeleuchteten Treppenhaus stehen.
«Von hier an benötigen Sie die Lampen», erklärte der Abt. Die Mönche zündeten einige kleine gasbetriebene Campinglaternen an, die ein fahles, kaltes Licht auf die Steinwände warfen. Langsam stiegen sie die enge Treppe hinunter. Ihre Schritte wirbelten feinen, scharf schmeckenden Staub auf. Sie gelangten in den nächsten Durchgang, der an einigen Lagerräumen für Olivenöl vorbeiführte, wo Mittedes neunzehnten Jahrhunderts einige der ältesten Handschriften der Welt entdeckt worden waren, die im achten Jahrhundert dort von Mönchen versteckt worden waren, die vor religiöser Verfolgung aus Syrien und Bagdad geflohen waren. Dann standen sie vor dem Eingang zur Höhle des heiligen Pischoi.
Der Abt stieß die morsche Holztür auf und führte sie hinein. Die Höhle war dunkel und eng, nicht größer als ein kleines Schlafzimmer. Gracie hob ihre Laterne, um besser sehen zu können. Sie sah nichts, was die Legende gestützt hätte, über die sie auf der Hinreise gelesen hatte. Nach dieser war Pischois religiöse Hingabe so mächtig gewesen, dass er sich mit den Haaren an einer Kette festband, die an der Decke befestigt war, um sicherzustellen, dass er während des tagelangen Wartens auf die Vision Christi, um die er betete, nicht einschlief.
«Hier entlang», sagte der Abt.
Gracie schwang die Laterne zu ihm herum. Auf der linken Seite verbarg sich eine weitere verrottete Holztür, noch kleiner als die am Eingang. Zwei Mönche halfen dem Abt, sie aufzuziehen, und wirbelten in dem engen Raum noch mehr Staub auf. Gracie trat näher und lugte in den schmalen, niedrigen Tunnel, der hineinführte. Er war höchstens eineinhalb Meter hoch und einen Meter breit, ein schwarzes Loch, das das trübe Licht der Gaslaterne gleich hinter der Schwelle verschluckte.
«Gott sei mit euch», verabschiedete der Abt sie, während sie einer nach dem anderen die Köpfe einzogen und in den engen Gang stiegen. Gracie war die Letzte. Sie zögerte einenMoment. Bei der Vorstellung, Finch hier zurückzulassen, schnürte sich ihr noch immer die Kehle zu. Aber dann biss sie die Zähne zusammen, lächelte den Abt zum Abschied schief an und tauchte in die erdrückende Finsternis des Tunnels ein.
KAPITEL 52
BEDFORD, MASSACHUSETTS
Als sich der Wald zu beiden Seiten der zweispurigen Straße lichtete und einer Handvoll niedriger Bürogebäude wich, die verschlafen hinter zugeschneiten Rasenflächen lagen, fuhr Matt langsamer.
Er warf einen Blick auf Jabba. «Ab jetzt aufpassen.» Dann sah er sich um.
Es waren keine anderen Autos auf der Straße, und die Gegend wirkte wie ausgestorben. Sie fuhren am Eingang zu einem kleinen Luftwaffenstützpunkt zu ihrer Rechten vorbei. Neben der nicht gerade stabil wirkenden, rot-weiß gestreiften Schranke hatte ein einsamer, gelangweilter Wachsoldat Dienst. Der Stützpunkt teilte sich die Start- und Landebahn mit dem angrenzenden Privatflughafen, aber damit hörte die Gemeinsamkeit auch auf. Von der Straße aus wirkte der Stützpunkt trist und veraltet, ein scharfer Kontrast zu der protzigen Flugplatzarchitektur weiter unten an der Straße, die auf die solvente Klientel ausgerichtet war, die ihre Privatjets lieber nach Hanscom Field lenkte, um sich die ewigen Verspätungen und strengen Sicherheitsvorkehrungenauf dem Bostoner Logan Airport zu ersparen – die beiden Freuden des Fliegens im einundzwanzigsten Jahrhundert.
Die Zufahrtsstraße brachte sie zum Zivilflugterminal, wo auch nicht mehr los war. Hinter einer scharfen Kurve führte sie in einer Schleife wieder vom Flughafen fort. Dort lag auch der Besucherparkplatz, ein riesiges asphaltiertes Trapez. Matt zählte ein knappes Dutzend abgestellte Wagen, von denen ihm keiner bekannt vorkam.
Die Hangars und Flugzeuge befanden sich zu ihrer Rechten, auf der Außenseite der Ringstraße, gegenüber vom Parkplatz. Hinter einem der beiden Haupthangars war das schrille Kreischen eines ausrollenden Jets zu hören. In Anbetracht der Tatsache, dass die Welt den 11. 9. erlebt hatte, gab
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